Sollen wir uns gegen Covid-19 impfen lassen? Sehr vieles spricht dafür.

047 Illu April 2021

Es melden sich einige Menschen mit HIV und fragen, ob sie sich gegen Covid-19 impfen lassen sollen. Das Gerangel um den Impfstoff von Astra-Zeneca hat offenbar viele Menschen verunsichert.

Für die Schweiz hat die Eidgenössische Kommission für Impffragen EKIF Empfehlungen publiziert1. Diese berücksichtigen die Situation von Menschen mit HIV. Grundsätzlich lässt sich in Kürze folgendes sagen:

  • Menschen mit CD4-Werten unter 200 sollten möglichst rasch und ausschliesslich mit einem mRNA-Impfstoff geimpft werden (Gruppe 1B)
  • Bei Menschen mit höheren oder normalen CD4-Werten wird die Impfung empfohlen (Gruppe 1D). Alter sowie mögliche andere Erkrankungen können für die Priorisierung berücksichtigt werden.
  • Wichtig: Wer gemäss Impfplan die Möglichkeit hat geimpft zu werden, soll sich unbedingt impfen lassen. Es gibt keine Sicherheitsbedenken für Menschen mit HIV aufgrund des HIV-Status.

Im Falle von Unsicherheiten sollten Menschen mit HIV ihre Klinik oder den Arzt kontaktieren.

Die britische HIV-Fachgesellschaft BHIVA hat soeben einen Richtlinienentwurf zur Impfung HIV-positiver Menschen gegen Covid-19 publiziert. Die Vernehmlassung dauert bis am 24. April. Das 17-seitige Dokument gibt einen Überblick über die aktuellen Erkenntnisse zur Wirksamkeit und Sicherheit der wichtigsten Impfstoffe. Wir zitieren die wichtigsten Punkte aus dem Entwurf2. Von der europäischen Fachgesellschaft EACS hören wir, dass diese die Endfassung britischen Empfehlungen übernehmen wird. Die gegenwärtigen EKIF Empfehlungen weichen leicht davon ab.

Die Schlüsselempfehlungen der BHIVA, übereinstimmend mit der EKIF:

  • Es gibt keine HIV-spezifischen Sicherheitsbedenken für einen der mRNA-, Adenovirus- oder Vektor (Protein)-basierten Impfstoffe. Es gibt keine Bedenken in Bezug auf die CD4-Zahl oder die Viruslast.
  • Die wenigen Kontraindikationen (schwere Allergie gegen Inhaltsstoffe) sind für HIV-positive und HIV-negative Menschen gleich.
  • Der erste angebotene Impfstoff wird empfohlen: Kein Impfstoff ist besser als ein anderer.
  • Es ist wichtig, den Impfplan gemäss Richtlinien zu vervollständigen (beide Injektionen). Die zweite Injektion sollte routinemässig derselbe Impfstoff sein, es sei denn, es gab eine schwere Reaktion auf die erste Impfung. Wenn der gleiche Impfstoff aus irgendeinem Grund nicht verfügbar ist, kann ein anderer Impfstoff verwendet werden.
  • Über die Schutzdauer der Impfung liegen nur begrenzte Daten vor. Auch wenn diese bei HIV beeinträchtigt ist, wird von allen Impfstoffen ein hoher Schutzgrad erwartet.
  • Weitere Forschung wird darüber entscheiden, ob Nachimpfungen zu empfehlen sind. Dies gilt auch für Menschen, die mit HIV leben.
  • Ein Impfschutz kann nicht vorausgesetzt werden. Falls sich nach der Impfung Symptome zeigen, sollte trotzdem ein SARS-CoV-2-Test durchgeführt und ein Arzt aufgesucht werden.
  • Die Auswertung individueller Immunreaktionen mit Antikörpertests, entweder vor oder nach der Impfung, wird nicht empfohlen, es sei denn, sie sind Teil einer Forschungsstudie3.

Die Empfehlungen der BHIVA weichen in folgenden Punkten leicht von der EKIF ab:

  • BHIVA: Aufgrund des erhöhten Risikos einer schweren COVID-19-Infektion im Zusammenhang mit HIV wird eine routinemässige COVID-19-Impfung für ALLE Menschen, die mit HIV leben, dringend empfohlen.
    EKIF: Ein erhöhtes Risiko eines schweren Verlaufs einer COVID-19-Infektion besteht nur bei CD4-Werten unter 200.
  • BHIVA: Die Impfung wird auch jenen Patienten empfohlen, die vor kurzem das Coronavirus hatten. Wenn die Symptome erst kürzlich aufgetreten sind, ist es am besten, vor einer Impfung etwa vier Wochen zu warten.
    EKIF: Empfiehlt für Menschen mit HIV eine längere Wartezeit nach erfolgter Infektion (3 Monate). Bei zu frühem Impfen besteht das Risiko erhöhter Nebenwirkungen. Leute mit geschwächtem Immunsystem sollten zwei Dosen erhalten, Leute mit normaler Immunlage nur eine Dose.

Warum weichen die BHIVA-Empfehlungen von der EKIF ab?
Möglicherweise der wichtigste Grund: Die HIV-Epidemie ist in Grossbritannien nicht ganz so gut kontrolliert wie bei uns. Auch war der epidemiologische Verlauf von SARS-CoV2 heftiger als in der Schweiz.

 

David Haerry / April 2021

 

1 https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/ausbrueche-epidemien-pandemien/aktuelle-ausbrueche-epidemien/novel-cov/impfen.html

2 https://www.bhiva.org/COVID-19-immunisation-guidelines-consultation

3 Prof. Huldrych Günthard vom Universitätsspital Zürich plant eine solche Studie. Wir werden davon berichten.

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