Neueste Updates zu langwirksamen HIV-Therapien an der HIV Glasgow-Konferenz

Die HIV Glasgow-Konferenz begann mit einer spannenden Session zu den neuesten Fortschritten in der antiretroviralen Therapie mit Langzeitwirkung (LA-ART). Die Präsentationen konzentrierten sich auf die praktischen Anwendungsmöglichkeiten von LA-ART. Sie zeigten, wie diese Behandlungen sowohl Menschen mit HIV unterstützen können, welche das Therapieziel „Virus nicht nachweisbar“ bereits erreicht haben, als auch jene, die Schwierigkeiten haben, dahinzukommen.

Der Bedarf an Lösungen mit Langzeitwirkung

Chloe Orkin eröffnete die Session mit einem Überblick über das Potenzial der antiretroviralen Therapie mit Langzeitwirkung (LA-ART) und erklärte, wie diese Therapien die tägliche Medikamenteneinnahme überflüssig machen, die Adhärenz verbessern und Menschen mit HIV ein leichteres, gesünderes Leben ermöglichen können. Sie präsentierte interessante Erkenntnisse zu Risiken, welche zu einem Versagen der Therapie mit Langzeitwirkung mit CAB/RPV führen können und zeigte, dass Übergewicht allein das Risiko nicht bedeutend erhöht. Teilnehmende ohne Risikofaktoren hatten fast dieselbe Versagerrate wie übergewichtige Teilnehmende. Im Gegensatz dazu stieg das Risiko erheblich für Personen mit zwei oder mehr Faktoren – wie archivierten Rilpivirinresistenzen oder mit HIV-1-Subtyp A6 infizierte Personen – was zu einer Versagerrate von 19 % führte. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Risiko eines Therapieversagens eher mit genetischen und viralen Faktoren als mit Übergewicht allein zusammenhängt. Anschliessend betonte Monica Gandhi die Notwendigkeit zugänglicher und erschwinglicher Lösungen, insbesondere in ärmeren Ländern. Sie wies darauf hin, dass derzeit nur 72 % der Menschen mit HIV weltweit das Therapieziel „Virus nicht nachweisbar“ erreichen. Dies unterstreicht die entscheidende Rolle von langwirksamen Behandlungen für Menschen, die Schwierigkeiten mit der täglichen Medikamenteneinnahme haben.

Höhepunkte der wichtigsten LA-ART-Studien

Monica Gandhi präsentierte mehrere bedeutende Studien, die die Wirksamkeit von LA-ART bei Menschen mit Adhärenzproblemen unterstützen:

– A5359 LATITUDE-Studie: Diese Studie zeigte, dass das Therapieziel auch von Menschen mit hohen Raten an Substanzkonsum und unsicherem Wohnsitz durch langwirksame Therapien erreicht werden konnte. Diejenigen, die zunächst eine Therapie mit täglichen Tabletten erhielten, hatten jedoch eine höhere Rate an virologischem Versagen als die Teilnehmenden, die von Anfang an langwirksame Therapien erhielten.

– Demonstrate-Projekt an Ward 86: In einer Kohorte von 133 Menschen, von denen 66 % eine unsichere Wohnsituation hatten, haben innert 48 Wochen das Therapieziel ähnlich gut erreicht, unabhängig davon, ob sie zu Beginn eine hohe Viruslast hatten.

– OPERA-Studie: Diese Studie verfolgte 176 Menschen, die mit einer Kombination aus Cabotegravir und Rilpivirin (CAB/RPV) mit nachweisbarer Viruslast begannen. Sie zeigte einen vielversprechenden Theapieerfolg.

– Mississippi-Kohortenstudie: Eine kleinere Studie in Mississippi stützte zusätzlich die Wirksamkeit von LA-ART und zeigte, dass die Therapie Menschen dabei helfen kann, das Therapieziel zu erreichen und aufrechtzuerhalten.

Die Ergebnisse dieser Studien führten zu Aktualisierungen der amerikanischen HIV-Behandlungsrichtlinien, welche nun CAB/RPV auch für Menschen mit Adhärenzproblemen und nicht unterdrückter Viruslast empfehlen. In der EU und der Schweiz hingegen sind entsprechende Anpassungen in den Richtlinien noch nicht erfolgt. Darüber hinaus zeigen Daten aus der CAPELLA-Studie zu Lenacapavir (LEN), welches in Kombination mit anderen antiretroviralen Therapien verwendet wird, vielversprechenden Therapieerfolg. Der Einsatz von LEN/CAB ausserhalb der zugelassenen Gruppe in einer US-Studie zeigte eine Erfolgsrate von 87 %. Die bevorstehende A5341-Studie wird LEN/CAB für Personen untersuchen, die nicht täglich Tabletten einnehmen können.

Neue Erkenntnisse zur LA-ART für erfolgreich therapierte und medikamentenresistente Menschen mit HIV

Drei aktuelle Studien beleuchten die Anwendung und Wirkung langwirksamer ART-Therapien:

  1. Eine Tablette pro Woche: Islatravir und Lenacapavir

Amy E. Colson präsentierte neue Ergebnisse zu einer Therapie, welche die Substanzen Islatravir (ISL) und Lenacapavir (LEN) kombiniert. Diese Kombination zeigte eine Erfolgsrate von 94,2 % nach 48 Wochen, vergleichbar mit einer Standardtherapie (92,3 %). Diese Ergebnisse wurden bereits während der CROI und der ID Week besprochen. Sie zeigen ein gutes Sicherheitsprofil, stabile Biomarker (Gewicht, Body-Mass Index, CD4+-Zellen) und minimale Nebenwirkungen. Fragen warf die Beendigung der Teilnahme einer Person wegen akuter Hepatitis B auf. Obwohl dies nicht als arzneimittelbedingt angesehen wurde, wurde argumentiert, dass der Teilnehmer bei Erhalt von Biktarvy—einem Medikament mit HBV-Schutz—möglicherweise keine Hepatitis B erworben hätte. Dies wirft die philosophische Frage auf: Ist ein unerwünschtes Ereignis, das mit dem Fehlen eines Standardmedikaments zusammenhängt, tatsächlich arzneimittelbedingt? Ausserdem wurde diskutiert, ob der Studien-Einwilligungsprozess das erhöhte Risiko für HBV ausreichend abgedeckt hat.

  1. Cabotegravir- und Rilpivirin-Konzentrationen in Genital- und Rektalflüssigkeiten

Arkaitz Imaz präsentierte Daten zum Spiegel von Cabotegravir (CAB) und Rilpivirin (RPV) in genitalen und rektalen Geweben. Trotz niedrigerer Medikamentenspiegel in diesen Geweben wurde das Virus überall unterdrückt. Dies deutet darauf hin, dass CAB+RPV-Injektionen bei seltenerer Dosierung hochwirksam sein könnten und die Adhärenz unterstützen würden. In der Diskussion wurde jedoch kritisiert, dass cisgender Frauen von der Rektalforschung ausgeschlossen wurden. Die Antwort, dass dies auf das Studiendesign zurückzuführen sei, beantwortete die Frage nicht vollständig, und es wurde diskutiert, ob der Ausschluss von Frauen solche Studien in der HIV-Forschung potenziell geschlechtsspezifisch voreingenommen macht.

  1. Lenacapavir und breit neutralisierende Antikörper für medikamentenresistentes HIV

Paul P. Cook präsentierte neue Erkenntnisse zur Wirksamkeit und Sicherheit der Kombination von Lenacapavir (LEN) mit den breit neutralisierenden Antikörpern Teropavimab (TAB) und Zinlirvimab (ZAB) für Menschen mit resistentem HIV. Nach 26 Wochen erreichten alle Teilnehmenden in der Hochdosisgruppe das Therapieziel „Viruslast nicht nachweisbar“, während in der Niedrigdosisgruppe 21 % dieses Ziel nicht erreichten. Da keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auftraten, bietet diese Kombination eine vielversprechende neue Lösung für Menschen mit HIV-Resistenzen. Frühere Ergebnisse, die bereits an der CROI-Konferenz präsentiert wurden, deuten darauf hin, dass LEN mit diesen Antikörpern eine wirksame Option für Menschen sein könnte, deren HIV auf herkömmliche Therapien nicht anspricht.

Diese Erkenntnisse markieren einen wichtigen Fortschritt und verstärken das Potenzial von LA-ART, das HIV-Management für alle Patientinnen und Patienten  einfacher, sicherer und zugänglicher zu gestalten.

Alex Schneider / November 2024

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