Wollen wir HIV umtaufen, echt?

13. Dezember 2022

Eine bisher unbekannte deutsche Nichtregierungsorganisation «Youth Against AIDS» schaltet zum 1. Dezember ganzseitige Inserate in der NZZ. In einem offenen Brief an den WHO-Generaldirektor Ghebreyesus fordert sie, HIV umzutaufen, weil der Begriff «HIV» tödlich sei.

Man reibt sich die Augen – eine unbekannte Organisation mit AIDS im Titel stört sich am Namen des HI-Virus, weil dieses tödlich sei? Wie wär’s, wenn man mal bei sich anfängt, und das «AIDS» aus dem eigenen Namen tilgt? Mit HIV und Therapie kann man ja ganz anständig alt und älter werden, mit AIDS ist’s ein bisschen schwieriger.

Die Spurensuche führt uns auf eine Webseite einer Organisation für Human Health and Happiness.  Auch noch nie gehört. Offenbar unterhält man Partnerschulen – Bildungseinrichtungen in Deutschland, Südafrika und Namibia. Man verteilt Kondome. Man will in den letzten zwölf Monate über 30 Millionen junge Menschen erreicht haben. Man schmückt sich mit einem illustren Beirat – darunter Linda-Gail Bekker, ehemalige Präsidentin der Fachgesellschaft International AIDS-Society; Professor Jürgen Rockstroh, der bekannte deutsche HIV- und Hepatitisspezialist; Gottfried Hirnschall, ehemaliger Verantwortlicher des HIV-Programms der Weltgesundheitsorganisation WHO; Jens Spahn, ehemaliger deutscher Gesundheitsminister, und so weiter.

An Finanzen scheint es nicht zu fehlen – globale Partner sind der Versicherungskonzern AXA, sowie die Pharmaunternehmen Gilead und MSD. Weitere Partner sind Amazon, Bayer, die Deutsche Aidsstiftung, Durex, Instagram, Levy’s, TikTok, Volkswagen und ViiV Healthcare, um nur einige zu nennen. Interessanterweise ist unter den Partnern keine einzige Betroffenengruppe.

Zeitgleich publizieren Verantwortliche der Kommunikationsagentur Serviceplan Interviews[1], [2], welche zeigen, dass man zwar von Kommunikationskampagnen einiges, von HIV aber weniger versteht. Man argumentiert zum Beispiel, HIV werde kriminalisiert. Wo und wie wird nicht erläutert. Warum eine Umbenennung des HI-Virus Stigma und Diskriminierung einfach beenden soll, erschliesst sich mit dem besten Willen nicht.

Weltweit setzen sich Menschen mit HIV dafür ein, als solche wahrgenommen und respektiert zu werden. Dazu gehört auch eine sorgfältige Kommunikation. Begriffe wie «People with AIDS», und PWA wurden ersetzt durch «People living with HIV», PLHIV. Wir verwenden seit ewig «Menschen mit HIV», und kein Betroffener stört sich daran, im Gegenteil. Das und noch einiges ist den Initiatoren entgangen. Und dass man sich mit der Marke «Youth Against AIDS» gleich selber in den Schwanz beisst, offenbar ebenfalls.

Man wolle an der World Aids Conference 2023 in Brisbane einen neuen Namen verkünden, sagt Raul Serrat in seinem Interview. Er meint wohl die HIV Science Conference, und diese soll ihren Namen wohl auch ändern? Wir sind schon mal gespannt.

David Haerry / Dezember 2022

 

[1] https://www.persoenlich.com/kategorie-werbung/wir-mussen-hiv-weltweit-entkriminalisieren

[2] https://www.ohhh.org/news/when-we-change-the-way-we-speak-we-change-the-way-we-think

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