Immer wieder beschäftigen wir uns mit kardiovaskulären Risiken im Zusammenhang mit HIV, der antiretroviralen Therapie, aber auch dem Lebensstil von Menschen mit HIV. Soeben wurde eine Studie im European Heart Journal publiziert, und an der CROI gab es Daten in einer Postersession.


Wenden wir uns zuerst der Studie im European Heart Journal zu. HIV-positive Menschen haben aus verschiedenen Gründen erhöhte kardiovaskuläre Risiken. Die Daten zur Häufigkeit der sogenannten
asymptomatischen Arterienverkalkung1 im Vergleich zur Normalbevölkerung sind aber widersprüchlich.


Ein beschleunigte Arterienverkalkung bei HIV-positiven Menschen wird immer wieder erwähnt und ist möglicherweise die Folge von Entzündungsmechanismen im Zusammenhang mit der Unterdrückung der Immunreaktion, Auswirkungen des HI-Virus auf die Funktion von Endothel- und anderen Zellen oder Stoffwechseleffekte antiretroviraler Medikamente, Fettstoffwechselstörungen und Insulinresistenz, häufiges Rauchen und Drogengebrauch sowie auch genetische Faktoren. Weil die möglichen Gründe so zahlreich sind, ist auch die Früherkennung einer möglichen Arterienverkalkung bei Menschen mit HIV enorm wichtig. Damit können präventive Massnahmen rasch eingeleitet werden.


Philip Tarr vom Kantonsspital Bruderholz und Kollegen aus der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie untersuchten deshalb die Arterienverkalkung mit einem koronaren Kalkscore und einer nicht-invasiven CT-Koronarangiographie (also nicht mittels „invasivem“ Herzkatheter, sondern mit einem CT des Herzens, abgekürzt CCTA) in 428 Patienten der HIV-Kohorte und verglichen diese mit 276 HIV-negativen Patienten, welche für ein CCTA an die Kliniken überwiesen wurden.


Mit verschiedenen Analysen wurde der Zusammenhang zwischen HIV-Infektion, kardiovaskulären Risikoprofil und HIV-bezogenen Faktoren mit der Arterienverkalkung untersucht. Das ist die erste derart grosse Vergleichsstudie zu dieser Fragestellung in Europa.


Resultate

Wie erwartet beeinflussen Alter, männliches Geschlecht und die bereits bekannten kardiovaskulären Risikofaktoren die Vorstufen einer Arterienverkalkung. Eine HIV-Infektion alleine ist aber kein Einflussfaktor. Im Gegenteil, HIV war sogar assoziiert mit weniger verkalkter Plaque als in der HIV-negativen Kontrollgruppe. Das Ergebnis scheint glaubwürdig, denn es ist in allen Altersgruppen und sowohl bei Frauen wie Männern gleich. Zusätzlich gibt es keine Hinweise auf rascher fortschreitende koronäre Altersprozesse von Menschen mit HIV – eine frühere Studie konnte damit nicht bestätigt werden. Die Schweizer Resultate widersprechen ebenfalls einer kürzlich publizierten Studie aus den USA. Über diese Unterschiede kann man im Moment nur spekulieren.


Antiretrovirale Medikamente, welche die Arterienverkalkung beeinflussen (Poster an der CROI 2018)

Helen Kovari hat mit der gleichen Forschergruppe an der CROI 2018 zu dieser Frage ein Poster präsentiert2. In der Vergangenheit wurden mehrfach antiretrovirale Medikamente mit kardiovaskulären Erkrankungen in Zusammenhang gebracht. Die 428 Patienten der oben beschriebenen Studie wurden darum noch etwas näher angeschaut. Insbesondere interessierte man sich, ob es bei über 45-jährigen HIV-Patienten einen Zusammenhang gibt zwischen Koronarplaque und spezifischen HIV-Medikamenten.


Resultate


Schlussfolgerung

Abacavir war in dieser Schweizer Studie das einzige antiretrovirale Medikament, welches einen ungünstigen Einfluss auf die Bildung nicht verkalkter und gemischter Plaques in den Herzkranzarterien hatte.

 

David Haerry, Mai 2018

 

1https://www.beobachter.ch/gesundheit/krankheit/arteriosklerose-atherosklerose-arterienverkalkunghttps://www.beobachter.ch/gesundheit/krankheit/arteriosklerose-atherosklerose-arterienverkalkung

2Kovari H et al. Antiretroviral drugs associated with subclinical coronary artery disease. 25th Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections (CROI 2018), Boston, abstract 670, 2018