AIDS

Güler et al.

Die Frage, ob HIV-positive Menschen heutzutage dieselbe Lebenserwartung aufweisen wie HIV-negative Personen, ist für die Betroffenen zentral und zudem wichtig für die Überwachung der HIV-Epidemie und Planung von staatlichen Gesundheitsprogrammen. Die erfreuliche Antwort vorab: die Lebenserwartung von HIV-positiven Personen nähert sich immer mehr derjenigen der HIV-negativen Schweizer Allgemeinbevölkerung an. Allerdings trifft dies vor allem auf HIV-positive Personen mit einem hohen Bildungsgrad zu. Weshalb dem so ist und welches Verbesserungspotential noch besteht, lesen Sie weiter unten.

In der vorliegenden Studie haben die Autoren Güler et al. die Lebenserwartung bei 16’532 Teilnehmern der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie (SHCS) zwischen 1988-2013 untersucht und diese mit der Lebenserwartung von 927’538 Personen aus der Schweizerischen National Kohorte (SNC) verglichen.

Die Studie zeigte, dass während der Beobachtungszeit 4‘579 Todesfälle bei HIV-infizierten eintraten. Von den Patienten, welche während der Ära der HIV-Mono-Therapien (1988-1991) in die SHCS eingeschlossen wurden, verstarben 65.1%. Diese Zahl sank massiv auf 2.4% für HIV-infizierte, die in der Ära der HIV-Dreifachkombinationstherapien (2006-2013) eingeschlossen wurden.

Die Lebenserwartung HIV-infizierter Personen erhöhte sich von der Zeit der HIV-Mono-Therapie zur Zeit der Dreifachkombinationstherapie um 11.8 Jahre. Interessanterweise war die Lebenserwartung HIV-infizierter Personen abhängig vom Bildungsgrad: die Lebenserwartung bei Behandlung mit einer Dreifachkombinationstherapie betrug bei einer 20-jährigen HIV-positiven Person mit einem tiefen Bildungsgrad durchschnittlich 72.7 Jahre, währenddessen die Lebenserwartung bei einem höheren Bildungsgrad bei 80 Jahren lag.

Im Gegenteil hierzu fanden sich in der Allgemeinbevölkerung kleinere Unterschiede: die Lebenserwartung einer 20-jährigen Person stieg im Zeitraum von 1988-1991 im Vergleich zu 2006-2013 um 0.7 Jahre und lag zuletzt bei 81.5 Jahren mit einem tiefen Bildungsgrad und bei 85.6 Jahren mit einem hohen Bildungsgrad.

Faktoren, welche mit einer höheren Sterblichkeit vergesellschaftet waren, beinhalteten das männliche Geschlecht, das Rauchen, ein intravenöser Drogenkonsum und tiefe CD4 Helferzellen.

Zusammenfassend zeigt die Studie, dass die Lebenserwartung von HIV-infizierten Personen heutzutage nach wie vor tiefer ist im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. HIV-infizierte Personen mit einem hohen Bildungsgrad weisen dieselbe Lebenserwartung auf wie Personen aus der Schweizer Allgemeinbevölkerung mit einem tiefen Bildungsgrad. Ein früher Beginn der HIV-Therapie und Rauchstopp-Programme können dazu beitragen, dass sich die Lebenserwartung HIV-infizierter Personen weiter derjenigen der Allgemeinbevölkerung angleicht.



Kommentar Positivrat

David Haerry

Die neusten Daten zur Lebenserwartung HIV-positiver Menschen stimmen zuversichtlich. Sie zeigen, dass wir Patienten einiges beitragen können, damit wir länger gesund bleiben. Das heisst in erster Linie sich genug bewegen und nicht zu rauchen. Wir dürfen davon ausgehen, dass sich die Daten weiter verbessern. Wir hoffen auf eine baldige Nachfolgestudie mit den Patienten, welche die Therapie nach 2013 angefangen haben. Wir brauchen diese Daten, um die leidige Diskriminierung im Privatversicherungsbereich endlich anzupacken. Stichwort: Krankentaggeldversicherungen, Lebensversicherungen über 100’000 Fr und private Krankenkassen.