EACS 2025 Paris: Neue Therapieempfehlungen
Die Europäische HIV-Fachgesellschaft führte ihre Konferenz im Oktober in Paris durch. Sie findet alle zwei Jahre statt. Ein Höhepunkt ist wie immer die neuste Ausgabe der europäischen Therapieempfehlungen und die Sitzung, an welcher die Änderungen vorgestellt und diskutiert werden.
Die Leitlinien wurden wie immer in einem transparenten und kooperativen Prozess entwickelt. Sie führen zu bedeutenden Änderungen in den Bereichen antiretrovirale Therapie, pädiatrische Versorgung, Koinfektionen und HIV-Begleiterkrankungen.
Die wichtigsten Änderungen
Laura Levi präsentierte aktuelle Informationen zur antiretroviralen Therapie, darunter vereinfachte Tabellen für klinische Besuche, Einschränkungen bei der dualen Therapie für Menschen, die sich unter PrEP mit HIV infiziert haben, sowie Ergebnisse der CARE-Studie zu langwirksamem Cabotegravir und Rilpivirin.
Die Behandlung von HIV-2 wurde in einem umfassenden neuen Abschnitt behandelt.
Paolo Paioni vom Universitäts-Kinderspital Zürich hob aktuelle Entwicklungen im Bereich der pädiatrischen HIV-Behandlung hervor, darunter Dosierungsempfehlungen für Dolutegravir bei Neugeborenen, strukturierte Zeitpläne für den Übergang zur Erwachsenenversorgung und präzisere Empfehlungen zur gemischten Ernährung.
Der Schwellenwert für die Viruslast in Woche 36, der einen geplanten Kaiserschnitt in Woche 38 anzeigt, wurde von über 50 auf über 400 Kopien/ml erhöht, wobei die Art der Entbindung bei Viruslasten zwischen diesen Schwellenwerten von Fall zu Fall besprochen werden muss. Das heisst, dass fast alle schwangeren Frauen normal gebären dürften und ein Kaiserschnitt nur noch selten vorgenommen wird.
Die Protokolle zur Darmkrebsvorsorge wurden verfeinert, wobei der Schwerpunkt auf HPV-Tests und hochauflösender Anoskopie liegt.
Andrea Mastrangelo präsentierte die Entwicklungen im Bereich der Koinfektionen, darunter die Anpassung der Tuberkulose-Behandlung an die WHO-Richtlinien, Strategien zur Behandlung von Mpox und Dosierungsanpassungen bei Kryptokokkenmeningitis.
Jasmini Alagaratnam und Abiu Sempere stellten neue Abschnitte zu Schlafgesundheit und Substanzkonsum vor und betonten dabei die Bedeutung von Routine-Screening-Instrumenten wie den ICD-10-Kriterien für Substanzabhängigkeit.
Einfache Schlafuntersuchungen wurden in die routinemässige HIV-Versorgung integriert. Die neue Empfehlung lautet, mindestens alle zwei Jahre und nach Therapieänderungen die Frage „Wie schlafen Sie?“ zu stellen, gefolgt von validierten Screening-Instrumenten für Schlaflosigkeit, übermässige Tagesmüdigkeit und Schlafapnoe, wenn abnormale Symptome gemeldet werden. Damit wird anerkannt, dass Menschen mit HIV häufig Schlafprobleme haben. Diese können zu schlechten klinischen Ergebnissen führen.
Aktualisierungen im Stoffwechselmanagement definierten Adipositas neu als übermässige Fettleibigkeit und Organfunktionsstörungen und nicht mehr nur anhand des Body-Mass Indexes BMI. Ein Therapiewechsel führt zu keinem erkennbaren Nutzen. Empfohlen werden deshalb Lebensstilinterventionen, Abnehmspritzen und allenfalls chirurgische Behandlungen.
Während der anschliessenden Diskussion wurde auch klargestellt, dass Frauen nun auch eine Prä-Expositions-Prophylaxe bei Bedarf mit einer 2:7-Dosierung anwenden können. Dabei wird 24 bis 2 Stunden vor dem Geschlechtsverkehr mit einer doppelten Dosis begonnen und anschliessend mit 7 täglichen Dosen abgeschlossen. Diese Empfehlung ist sehr erfreulich, denn sie vereinfacht den Einsatz der oralen PrEP für Frauen.
Die grösste Enttäuschung der neuen Leitlinien ist das Beharren der europäischen Fachleute auf nicht patientengerechten Vorgaben zum Stillen unter HIV. Siehe dazu auch unseren Kurzbericht der Schweizer Fachleute. Man empfiehlt weiterhin eine „gemeinsame Entscheidungsfindung“. Wie realistisch ist das in der Praxis, und wie sehr werden HIV-positive Schwangere damit unter Druck gesetzt und die Endverantwortung auf die Mütter abgeschoben? Offensichtlich haben schwangere Frauen mit HIV keine wirksame Lobby. Die positiven Auswirkungen des normalen Stillens werden zu wenig gewürdigt.
Die europäischen Leitlinien der EACS widerspiegeln den europäischen Konsens und nicht die letzten wissenschaftlichen Erkenntnisse. Das ist zugleich deren Stärke und Schwäche. Menschen mit HIV sind zwar in allen Abteilungen vertreten. Wieweit sie unsere Interessen aber durchsetzen können, steht auf einem anderen Blatt.
David Haerry / November 2025
Weitere Themen
EACS 2025 Paris: SHCS zeigt Forschungsstärke – Gleich drei Studien in der Auswahl der Konferenzvorsitzenden
Die Schweizerische HIV-Kohortenstudie SHCS ist auf allen HIV-Konferenzen prominent vertreten. Keine andere Kohortenstudie ist erfolgreicher. Besonders offensichtlich war das in der Sitzung „Co-Chairs Choice“ – der Auswahl der Konferenzvorsitzenden vom Samstagvormittag. Sechs Beiträge schafften es in diese Auswahl, drei davon
Veranstaltungshinweis Welt-Aids-Tag 2025: «Elegies For Angels, Punks And Raging Queens»
Benefizkonzert zum Welt-Aids-Tag: Schweizer Erstaufführung des Liederzyklus «Elegies for Angels, Punks and Raging Queens» – bewegende Songs und Monologe zum 40-jährigen Jubiläum der Aids-Hilfe Schweiz. https://aids.ch/ueber-uns/40/benefizkonzert/ Weitere Themen Autres sujets
Warum lohnt sich die Teilnahme am Hepatitis Schweiz Symposium?
Das Hepatitis Schweiz Symposium bietet Fachwissen und Austausch zu aktuellen Themen der Hepatitis-Versorgung. Drei zentrale Gründe für Ihre Teilnahme: Internationale und nationale Expert:innen präsentieren neueste Erkenntnisse zu Hepatitis Testung und Behandlung innerhalb von opioidagonistischen Therapien. Die Inhalte richten sich an