Doxy-PEP

Die Doxycyclin Post Expositions-Prophylaxe Doxy-PEP wurde in den letzten zwei Jahren ein an Konferenzen häufig diskutiertes Thema. Dabei werden 200mg des Antibiotikums Doxycylin innert 24 bis maximal 72 Stunden nach Geschlechtsverkehr verschrieben. Verschiedene Studien zeigen einen Rückgang von bakteriellen Infektionen wie Chlamydien und Syphilis. Bei Gonorrhöe wird kaum eine Wirkung beobachtet.

Kritiker der Intervention befürchten langfristige negative Auswirkungen auf das Mikrobiom sowie eine Zunahme von Antibiotika-Resistenzen bei sexuell übertragbaren Infektionen. Die Richtlinien der europäischen Fachgesellschaft EACS empfehlen die Doxy-PEP von Fall zu Fall. Die deutsche STI-Gesellschaft äussert sich sehr reserviert und fordert mehr Forschung[1]. In der Schweiz ist man bis heute zurückhaltend mit Verschreiben. In der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie (SHCS) läuft ein Forschungsprojekt zur Doxy-PEP. Die Aids-Hilfe Schweiz äussert sich auf ihrer Webseite zur Doxy-PEP –etwas verwirrlich, wie wir finden. Die Fragestellung ist um einiges komplexer als bei der HIV-Prä-Expositionsprophylaxe PrEP. Wir haben nachgefragt bei Dominique Braun, Leiter SHCS Zentrum Zürich, Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene am Universitätsspital Zürich und Ben Hampel, Chefarzt und Co-Leiter Checkpoint Zürich.

Fragen an Dominique Braun

Q: Du bist in der SHCS für die laufende Doxy-PEP Studie verantwortlich. Wie läuft diese ab und welche Erkenntnisse erwartet die SHCS?

A: Wir verschreiben die Doxy-PEP innerhalb der Schweizerischen HIV Kohortenstudie bei Männern, die Sex mit Männern haben und Transgender Frauen, die ein hohes Risiko für bakterielle sexuelle übertragbare Infektionskrankheiten (STI) haben. Ein hohes Risiko haben wir so definiert, dass die Personen in den letzten drei Jahren eine bakterielle Infektion hatten und/oder ungeschützten Sex mit Gelegenheitspartnern praktizieren. Alle sechs Monate schauen wir, ob bei den Teilnehmenden zwischenzeitlich eine STI aufgetreten ist und fragen systematisch ab, ob und wenn ja wie oft die Doxy-PEP eingenommen wurde und ob darunter Nebenwirkungen aufgetreten sind. Wir vergleichen diese Daten mit einer Kontrollgruppe von Teilnehmenden der SHCS, welche ein ähnliches Risikoverhalten haben, die Doxy-PEP jedoch nicht nehmen. Mit diesen Angaben können wir die Wirksamkeit und die Verträglichkeit der Doxy-PEP analysieren. Zusätzlich messen wir alle 6 Monate das Mikrobiom (Gesamtheit und Zusammensetzung aller Bakterien) aus der Harnröhre und aus dem Enddarm um die Frage beantworten zu können, ob die Doxy-PEP das Mikrobiom entscheidend verändert. Zudem haben wir einen neuen Resistenztest für die Diagnostik der STI’s entwickelt, mit dem wir herausfinden können, ob unter der Doxy-PEP mehr Resistenzen gegen Syphilis, Chlamydien und Tripper auftreten. 

Q: Was hat Dich / die SHCS bewogen, diese Studie durchzuführen?

Mir war nach Besuch eines HIV-Kongresses im November 2022 klar, dass die Doxy-PEP früher oder später auch bei uns in der Schweiz ein Thema wird und wir hier selber Daten generieren müssen. Die SHCS eignete sich hierfür sehr gut.  Wir sind eine der ersten Studien weltweit, welche die Doxy-PEP ausserhalb von sogenannten kontrolliert randomisierten Studien[2] in einem real life setting untersuchen und wie oben erwähnt in einem ganzheitlichen Vorgehen verschiedenen Fragestellungen nachgehen.

Q: Hast Du Erwartungen, in welcher Anwendergruppe die Intervention am ehesten erfolgreich sein könnte und wo nicht?

Aufgrund der bisherigen Studiendaten erwarte ich tatsächlich einen deutlichen Rückgang der Chlamydien- und Syphilis-Neuinfektionen in der Gruppe der Personen, welche die Doxy-PEP regelmässig und korrekt anwenden. Etwas unklar ist der Einfluss der Doxy-PEP auf die Tripper-Infektionen. Hier bieten wir zusätzlich eine in der Schweiz bereits zugelassene Impfung gegen Meningokokken an, welche die Personen auf eigene Kosten erhalten können und welche auch einen gewissen Schutz gegen Tripper hervorrufen könnte.

Q: Eine häufige Kritik an der Doxy-PEP ist die Furcht vor Antibiotika Resistenzen. Wie ordnest Du das ein?

Doxycyclin setzen wir  in der Medizin schon seit vielen Jahrzehnten ein, sei es zur Malariaprophylaxe oder auch gegen Akne. Trotz diesem breiten Einsatz haben wir bisher keine Resistenzen von Doxycyclin gegen die meisten STI’s gefunden. Deshalb gehe ich davon aus, dass sich keine wesentliche Residenzentwicklung auf Chlamydien und Syphilis zeigen wird. Bezüglich Resistenz gegen die Medikamente, die wir gegen die Behandlung von Tripper einsetzen: Hier haben wir in einer anderen Studie gesehen, dass bereits vor Beginn der Doxy-PEP eigentlich alle Tripper-Bakterien, die wir in der Schweiz getestet haben, auf Doxycyclin resistent waren. Die Doxy-PEP wird hier also nicht entscheidend zu Resistenzentwicklung beitragen.

Q: Wann können wir Resultate erwarten?

DOXY-MEN Studie ist im November 2023 gestartet und wir möchten eine erste Zwischenanalyse Ende dieses Jahres durchführen. Ich denke also, dass die ersten Resultate im Frühjahr 2025 vorliegen werden.

[1] Werner R et al, Position statement of the German STI Society on the prophylactic use of doxycycline to prevent STIs (Doxy-PEP, Doxy-PrEP); JDDG 20 December 2023, https://doi.org/10.1111/ddg.15282

[2] Bei einer randomisierten Studie werden die Studienteilnehmer in zwei Gruppen eingeteilt – Gruppe A mit Intervention, Gruppe B ohne Intervention.

Fragen an Ben Hampel

Q: Wird die Doxy-PEP bei Euch nachgefragt, und wenn ja, von wem?

A: Der Checkpoint Zürich ist spezialisiert auf Männer, die Sex mit Männern haben, daher kommen kann ich vor allem zu dieser Gruppe eine Aussage machen. Hier bekommen wir sehr viele Anfragen, quasi täglich.

Q: Falls Du diese verschreibst – was besprichst Du mit dem Kunden?

A: Wir haben am Checkpoint Zürich eine sehr zurückhaltende Haltung und besprechen den aktuellen Stand mit den Personen, vor allem, was ihnen alles noch nicht bekannt ist. Meistens hilft es, mit ihnen zu besprechen, wie viel Sex sie haben, sprich wie oft sie Doxycyclin einnehmen müssten und wie oft sie in der Vergangenheit eine STI hatten, die damit hätte vermieden werden können. Diese kurze Rechnung zeigt oft die Menge an Antibiotika, die genommen werden müsste, um einen positiven Effekt zu haben, und das regt zum Denken an.

Q: Bei welcher Anwendergruppe siehst Du einen möglichen Nutzen, und wo nicht?

A: Das Problem ist ja, dass wir als Ärzt*innen noch so viel definieren können, wer es nehmen sollte und wer nicht. Im Endeffekt kommen dann immer verschiedene Dinge zusammen, die dazu führen, dass sich jemand für eine Präventionsmassnahme oder dagegen entscheidet. Wir sehen das bei der HIV PrEP: Es kommen nicht nur die Leute mit dem höchsten Risiko für HIV, sondern auch die, die mit der grössten Angst vor HIV. Bei der Doxy PEP sehen wir ähnliche Muster in Ländern, wo sie breiter angewendet wird. Und da sehe ich das Problem, dass es zu einem sehr grossen Einsatz eines Antibiotikums kommt mit unklarem Effekt auf Mensch und Umwelt. Wir analysieren aktuell die Daten aus der SwissPrEPared Studie und versuchen zu verstehen, wer ein hohes Risiko für eine STI hat und wer nicht. Das ist gar nicht so einfach. Dinge die offensichtlich erscheinen wie Kondomgebrauch oder Anzahl Sexualpartner sind gar nicht so aussagekräftig, wie wir immer geglaubt haben. 

Q: San Francisco empfiehlt die Anwendung der Doxy-PEP seit 2022, und zwar für schwule und bisexuelle Männer sowie Transpersonen und meldet Erfolge; vor allem einen deutlichen Rückgang von Chlamydien und Syphilis. Die Schweiz hat bisher nicht nachgezogen, warum?

A: Wir sind in Europa im Allgemeinen und in der Schweiz im Speziellen zurückhaltender bei der Verschreibung von Antibiotika. Dadurch haben wir weniger Probleme mit Antibiotikaresistenzen als in anderen Ländern. Diese Haltung ist meiner Meinung nach richtig, da wir viele der Effekte noch nicht abschätzen können. Doxycyclin wird in der Regel gut vertragen, für den Einzelnen entstehen wenig klassische Medikamentennebenwirkungen. Aber wir müssen in der Medizin mehr mit dem Konzept der One-Health denken. Das bedeutet, alles ist miteinander verbunden. Mensch, Tier, Bakterien bilden eine Einheit und jeder Eingriff muss gut bedacht sein. Was wir heute machen, können wir eventuell in ein paar Jahre bereuen. Einen Rückgang von Syphilis sehen wir übrigens auch in anderen Ländern, wo keine Doxy PEP angewendet wird,  wahrscheinlich durch das vermehrte Testen bei Risikopersonen. Und die Chlamydienfälle, die vermieden werden, sind in aller Regel ohne Symptome. Für mich sind diese Zahlen sehr spannend aber noch kein klares Argument für die Doxy PEP.

David Haerry. Die Interviews wurden schriftlich geführt

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