HIV heute: Altern, Prävention und Strategien – Eindrücke von der CROI 2025

Noch vor wenigen Jahren drehte sich die Diskussion in der HIV-Therapie vor allem um die Viruslast. Heute rücken andere Fragen in den Vordergrund: Wie altern Menschen mit HIV? Welche Rolle spielen Entzündungen, Herz-Kreislauf-Risiken, Stoffwechselveränderungen? Wie lässt sich die Therapie vereinfachen oder sogar präventiv vermeiden? Und vor allem: Wer hat Zugang zu all dem? Diese und viele weitere Themen standen im Mittelpunkt der diesjährigen CROI 2025 in San Francisco.

Altern mit HIV: Wenn die unterdrückte Viruslast allein nicht reicht

Dank wirksamer Therapien leben Menschen mit HIV heute deutlich länger. Doch mit dem Alter kommen neue Herausforderungen dazu: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Entzündungen, Gewichtszunahme und Stoffwechselstörungen. Und all das kann auch dann auftreten, wenn die Viruslast unterdrückt ist.

Eine zentrale Studie war REPRIEVE, die zeigte, dass Menschen mit HIV – selbst ohne klassische Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder erhöhte Blutfette – häufiger sogenannte „weiche Plaques“ in den Gefässen aufweisen. Diese stehen im Zusammenhang mit unterschwelligen Entzündungsprozessen und einem erhöhten Infarktrisiko. Klassische Risikorechner erfassen dieses Risiko oft nicht ausreichend.

In der PASO-DOBLE-Studie wurden zwei gängige Therapieschemata verglichen: eines auf Basis von Dolutegravir, das andere mit Bictegravir. In der Bictegravir-Gruppe wurde im Schnitt mehr Gewicht zugelegt, ausserdem kam es häufiger zu Veränderungen bei Blutfetten und Insulin. Die Forschenden betonen: Auch gleich wirksame Therapien können unterschiedlich auf den Stoffwechsel wirken – gerade bei älteren Menschen ein relevanter Aspekt.

 Bildnachweis: Alex Schneider

Prävention mit Zukunft: Eine Injektion pro Jahr

Prävention mit PrEP war lange gleichbedeutend mit täglichen Tabletten. Dann kam CAB LA – eine Injektion alle zwei Monate. Auf der AIDS 2024 wurde erstmals eine halbjährliche PrEP mit Lenacapavir vorgestellt. In der Studie mit Frauen aus dem südlichen Afrika kam es bei keiner Teilnehmerin zu einer HIV-Übertragung. Die Zulassung dieser Form wird in nächster Zeit erwartet.

Nun präsentierte die CROI 2025 die nächste Stufe: eine neue Formulierung von Lenacapavir, die nur einmal pro Jahr verabreicht werden muss. Erste Daten zeigen, dass ein einziges Depot für mindestens zwölf Monate einen schützenden Wirkspiegel aufrechterhalten kann. Sollte sich dies bestätigen, könnte PrEP einfacher und zugänglicher werden als je zuvor – insbesondere für Menschen mit eingeschränktem Zugang zur Gesundheitsversorgung.

Weniger ist mehr: Therapien mit reduzierter Einnahmehäufigkeit

Nicht nur Injektionen machen das Leben mit HIV einfacher. Auch für Menschen, die weiterhin Tabletten nehmen, gibt es neue Ideen: zum Beispiel, diese nicht mehr täglich einnehmen zu müssen. In der BETAF-RED-Studie wurde untersucht, ob Biktarvy auch  drei-, zwei- oder sogar nur einmal wöchentlich eingenommen werden kann.

Erste Ergebnisse sind vielversprechend: Bei Einnahme drei- oder zweimal pro Woche blieb die Viruslast bei den meisten Teilnehmenden unterdrückt. Auch bei einmal wöchentlicher Gabe gelang dies einigen. Kam es zu einem Anstieg der Viruslast, konnte mit täglicher Einnahme schnell wieder Kontrolle erreicht werden.

Solche flexibleren Schemata könnten besonders jenen helfen, die sich mit der täglichen Einnahme schwertun, instabil leben oder nur eingeschränkten Zugang zu Medikamenten haben. In Zeiten unsicherer Finanzierung globaler Programme wie PEPFAR könnten kostensparende, aber wirksame Alternativen einen wichtigen Beitrag zur Therapiesicherheit leisten.

Wenn Standardtherapien versagen: Neue Optionen bei Resistenzen

Auch wenn Resistenzen seltener geworden sind, gibt es sie noch. Vor allem bei Menschen mit langem Behandlungsweg, vielen Therapiewechseln oder Therapieabbrüchen kann es sein, dass klassische Regime nicht mehr wirken.

Für solche Fälle wird weiter geforscht. Auf der CROI 2025 wurden neue Daten zu Ibalizumab vorgestellt – einem monoklonalen Antikörper, der bei multipler Resistenz zum Einsatz kommt. In Kombination mit anderen Medikamenten konnte damit bei vielen Patientinnen und Patienten erneut eine Virusunterdrückung erreicht werden.

Die Fachleute betonen: Es zählt nicht nur, welche Medikamente verschrieben werden, sondern auch, wie die Behandlung begleitet wird. Gerade in komplexen Fällen ist ein individueller, unterstützender Ansatz entscheidend.

Mehr als Medikamente: Zugang, Ungleichheit und politischer Druck

Die CROI 2025 machte deutlich: Wissenschaftlicher Fortschritt reicht nicht aus, wenn er nicht bei den Menschen ankommt. Prävention und Behandlung sind ungleich verteilt – zwischen Ländern, Regionen und Bevölkerungsgruppen.

Besonders betroffen sind Frauen, Jugendliche, Menschen mit Migrationsgeschichte und trans Personen. Gerade für sie wären neue PrEP-Formen ein echter Fortschritt – doch oft bleiben sie aussen vor.

Während der Konferenz fand eine Demonstration statt: für den Erhalt von PEPFAR, für den Schutz der Wissenschaft, für Zugang zu Behandlung und Prävention. Und gegen politischen Druck auf besonders verletzliche Gruppen.

Eine Botschaft war unüberhörbar: Wissenschaft braucht nicht nur Ideen, sondern auch Schutz. Ohne Finanzierung, globale Verantwortung und politischen Willen können selbst die besten Medikamente nichts bewirken.

Alex Schneider / Mai 2025

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