Von der Swissmedic wurde Vosevi am 8. Dezember 2017 zugelassen. Weil sich BAG und Hersteller preislich nicht einig werden, ist das Medikament bloss unter grossem administrativem Aufwand unter Anwendung von Artikel 71 zugänglich. Die Krankenkasse Sanitas schert dabei aus und lässt ihre Patienten hängen. Ein Drama ohne Ende.

Vosevi ist ein neues Medikament, eingesetzt für die Zweittherapie von Menschen mit Hepatitis-C, bei denen die Ersttherapie versagt hat. Das sind nicht viele Patienten – etwa 4% aller Menschen mit HCV dürften betroffen sein. Für die wenigen Betroffenen kann die Situation aber dramatisch sein – eine Zweittherapie hat sehr gute Chancen und sie darf nicht verzögert werden.

Seit mindestens Dezember 2017 führen das BAG und die Herstellerfirma Preisverhandlungen für die Aufnahme von Vosevi in die Spezialitätenliste SL. Damit würde das Medikament eine Pflichtleistung der Krankenkassen. Diese Verhandlungen sollten längst abgeschlossen sein. Dazu haben wir uns vor einem Jahr bereits geäussert.

Bis heute ist Artikel 71 der einzige Weg zur Kostenübernahme von Vosevi.

Was regelt Artikel 71 KVV?
Artikel 71a bis 71d der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) regelt die Vergütung von Medikamenten im Einzelfall und «Off-Label»-Bereich. Das heisst also: Die Vergütung von Arzneimitteln ausserhalb der Fachinformation von «Swissmedic » oder ausserhalb der Limitierung gemäss Spezialitätenliste. Im Fall von Vosevi kommt Artikel 71b zur Anwendung – es geht um eine Vergütung zugelassener Medikamente ausserhalb der Spezialitätenliste. Damit sollen Patienten der Zugang zu innovativen Medikamenten frühzeitig und im Einzelfall ermöglicht werden, unter der Voraussetzung, dass die entsprechenden Kriterien erfüllt sind. Im Falle von Vosevi ist dies klar der Fall: vom Einsatz des Arzneimittels wird ein hoher therapeutischer Nutzen erwartet, und es gibt keine wirksame therapeutische Alternative.

Sanitas, wo ist das Problem?

Nach kurzen Anlaufschwierigkeiten anerkennen heute alle Krankenkassen, dass Vosevi alle Kriterien für eine Kostenübernahme unter Artikel 71 erfüllt. Die einzige Ausnahme heisst Sanitas. Die Vertrauensärzte der Versicherung behaupten beharrlich, die Kriterien seien nicht erfüllt – dies bei einer Erfolgswahrscheinlichkeit von 99%! Wir hatten Einsicht in mehrere Antwortschreiben der Versicherung. Die Sanitas behauptet mehrfach kaltblütig: „Aufgrund der publizierten Daten lässt sich kein grosser therapeutischer Nutzen im Sinne von KVV Art. 71 b in der vorliegenden Situation ableiten. Der gesetzlich geforderte, prospektiv zu erwartende hohe therapeutische Nutzen kann nicht belegt werden.“

Wenn dem so wäre, liebe Sanitas, hätte Swissmedic das Produkt gar nicht zugelassen. Die Sanitas unterläuft mit ihrer Haltung die Krankenversicherungsverordnung und damit das Gesetz. Mehrfache Interventionen der Hepatitis-C Patientenvereinigung und unsererseits führten zu keinem Erfolg. Wir geben nicht auf – die Verantwortlichen der Sanitas sollten sich schämen für ihre menschenverachtende Haltung.

Im Moment sieht es so aus, als ob die Sanitas auf dem Rechtsweg gezwungen werden muss, die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten. Offenbar zahlt die Versicherung lieber eine Lebertransplantation für mindestens eine halbe Million als fünf Minuten nachzudenken. Und es stellt sich die Frage, ob das zuständige BAG seiner Aufsichtspflicht über die Krankenkassen erfüllt. Das BAG selber sagt nämlich auf seiner Webseite

«Die Aufsicht soll die Interessen der Versicherten schützen, indem sie insbesondere die Transparenz der sozialen Krankenversicherung und die Zahlungsfähigkeit der Versicherer gewährleistet. Das BAG sorgt dafür, dass die Versicherer das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) einheitlich anwenden.»

 

Zwei Beispiele aus der Praxis

1. Patient mit Fibrosestatus 4, child pugh A

2. Patient mit dekompensierender Zirrhose seit einem Jahr

 

David Haerry / Juli 2019

 

[1] Clin Infect Dis. 2018 Mar 19;66(7):1013-1018. doi: 10.1093/cid/cix916; Anmerkung: In der französischen Studie erhielten 26 Patienten diese Medikamente als Zweitbehandlung. Bei 25 Patienten war sie erfolgreich.