Der internationale Leberkongress ging im April 2019 über die Bühne. Nach der Hektik um Neuzulassungen der vergangenen Jahre wurde die Atmosphäre beschaulicher. Doch jetzt kommen die Daten die uns wirklich interessieren: Jene über die Anwendung der neuen Therapien in verschiedenen Systemen sowie die Fortschritte in der Elimination von Hepatitis. Neue Informationen gibt es auch zur Fettleberhepatitis bei Menschen mit HIV.

Fast alle Hepatitis C-Patienten werden geheilt
Das Gute vorweg: Die neuen sogenannten pan-genotypischen1 Hepatitis-C Therapien funktionieren in der normalen klinischen Praxis ebenso gut wie in den Zulassungsstudien. Voraussetzung ist, dass die Patienten die Therapie zu Ende führen. Es gibt nur wenige Patienten die eine Therapie unterwegs abbrechen. Das sind gute und wichtige Neuigkeiten für alle Länder, welche eine Hepatitis-C Eliminationsstrategie konsequent verfolgen. Zwei Hersteller dominieren diesen Markt: Abbvie mit Maviret und Gilead mit Epclusa. Beide Produkte sind Kombinationspillen, welche einmal pro Tag verabreicht werden. Die früher häufige Zugabe von Ribavirin entfällt. Eine generische Version von Epclusa wird in Indien hergestellt; für Maviret wurde im Dezember 2018 eine Vereinbarung mit dem Medicines Patent Pool unterzeichnet.

Die analytischen Therapieunterbrüche sind das ethisch heikelste Thema in der Cure-Forschung, weil sie im Widerspruch zu allen Therapierichtlinien stehen. Es besteht aber ein Konsens, dass es keine andere Methode gibt, um in der Forschung Interventionen zu bewerten, welche das Virus ohne antiretrovirale Therapie unterdrücken wollen.

Die Daten
Allessandra Mangia zeigte die Therapieresultate mit Epclusa von 5’340 Patienten aus zwölf klinischen Kohorten in Europa und Nordamerika. Nicht in die Studie einbezogen wurden Patienten welche bereits einen fortgeschrittenen Leberschaden, also eine Zirrhose hatten, Patienten welche bereits mit Sofosbuvir oder Daclatasvir vorbehandelt waren sowie Patienten, bei welchen die Therapie länger als zwölf Wochen dauerte.
Die Patienten waren durchschnittlich 54-jährig. Etwas mehr als die Hälfte waren männlich, fast 4% waren mit HIV koinfiziert, 13% haben Drogen gespritzt und ein gutes Fünftel hatte bereits eine geschädigte Leber. Je ein Drittel der Patienten hatten die Genotypen 1 oder 3.
Rund 93% der Patienten erreichten das Therapieziel innert der zwölfwöchigen Wochen Behandlung. Stutzig machen uns die 7% Patienten, welche das Therapieziel nicht erreichten: Über zwei Drittel von ihnen verschwanden und ein Viertel brach die Therapie aus nicht bekannten Gründen vorzeitig ab. Falls sich diese Patienten wieder melden, haben sie gute Heilungschancen mit einer Zweittherapie. Ein virologisches Versagen gab es bloss bei 1,4% der Patienten. Weder der Hepatitis-C Genotyp, noch der Zustand der Leber oder andere Patienteneigenschaften hatten einen Einfluss auf den Therapieerfolg.

Deutsche Forscher zeigten den Behandlungserfolg mit Maviret bei rund 1’700 Patienten aus dem deutschen Hepatitis-C Register. Diese Gruppe war zu 70% männlich und durchschnittlich 43-jährig. Mehr als die Hälfte hatten Genotyp 1; ein gutes Drittel Genotyp 3. 84% der Patienten kamen für eine Ersttherapie, hatten keinen Leberschaden und wurden darum acht Wochen behandelt. Ein Viertel der Gruppe erhielt einen Opioid-Substitutionstherapie; 3% waren aktive Drogengebraucher und 15% hatten psychische Probleme. 97% der Patienten wurden geheilt. Weder Genotyp noch Patienteneigenschaften hatten einen Einfluss auf den Behandlungserfolg.

Tiefe Heilungsraten bei Patienten mit seltenen Genotypen
Die oben erwähnten Daten aus Europa und Nordamerika sprechen für sich: Die Hepatitis-C ist heute innert wenigern Wochen heilbar. Bei vor allem afrikanischen Patienten mit seltenen Genotypen sieht es weniger gut aus – in der SHARED-Studie aus Rwanda erreichen Patienten mit Genotyp 4r Heilungsraten von nur 56% – das ist bloss ein Beispiel. Derselbe Genotyp ist auch einer der Hauptursachen für Therapieversagen in Frankreich.

Diese Problematik muss noch besser untersucht und verstanden werden, denn sie hat Auswirkungen auf die globalen Eliminationsstrategien.

Fettleberhepatitis bei Menschen mit HIV
Weil die koinfizierten Patienten geheilt werden können, zeigt sich jetzt ein neues Problem bei Menschen mit HIV: die sogenannte Fettleberhepatitis und ihre Vorstufe, die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung. Sowohl an der CROI in Seattle wie auch an der EASL in Wien wurde dies mit Daten aus Nordamerika und Europa dokumentiert.

Die Fettleber ist eine häufige Erkrankung der Leber, meist bedingt durch die Einlagerung von Fett in die Leberzelle. Als Ursachen werden unter anderem Überernährung, genetisch bedingte Fettstoffwechselstörungen, Alkohol- und Medikamentenmissbrauch, Toxine und Diabetes mellitus genannt. Häufig bleibt eine Fettleber lange unerkannt, weil sie kaum Schmerzen verursacht. Sie kann sich aber rasch zu einer lebensbedrohlichen Leberzirrhose entwickeln.

Woran sterben Menschen mit HIV heute?


Zobair Younossi untersuchte 2‘882 Todesfälle von HIV-Patienten im amerikanischen Medicare-Programm. Zwei Drittel dieser Todesfälle waren durch eine Lebererkrankung verursacht. Davon gingen die Hälfte auf das Konto einer Hepatitis-C Ko-Infektion, ein Fünftel auf eine Fettleberhepatitis; 15% auf eine Hepatitis-B Ko-Infektion, 12% auf Ko-Infektionen mit Hepatitis B & C sowie 4% auf andere Lebererkrankungen.

Weil Menschen mit HIV älter werden, steigen die Todesfallrisiken aus anderen Gründen. Häufig sind kardiovaskuläre Erkrankungen, Krebs und Lebererkrankungen. Sehr oft sind Menschen mit HIV übergewichtig.

Younossi und seine Kollegen untersuchten zudem die Daten von über 47‘000 HIV-Patienten im Medicare- Programm. Fast ein Viertel hatte eine Lebererkrankung, bei mehr als der Hälfte war das Problem eine Hepatitis-C. Ein Viertel der Patienten hatte eine Fettleber. Andere, weniger häufige Ursachen waren Hepatitis-B sowie Ko-infektionen sowohl mit Hepatitis B und C.

Zwischen 2006 und 2016 verminderte sich die Häufigkeit einer viralen Hepatitis leicht. Im gleichen Zeitraum hat sich aber die Häufigkeit von Fettlebern mehr als verdoppelt. Diese Entwicklung zeigt sich auch bei den Todesfällen: Bedingt durch virale Hepatitis gehen sie zurück, während sie durch Fettleber verursacht stark zunehmen.

Eine weitere Studie zeigte Patientendaten aus Italien und Kanada. Untersucht wurden 1‘228 Menschen mit HIV, welche nicht zuviel Alkohol konsumierten und nicht mit einer viralen Hepatitis koinfiziert waren. Fast ein Drittel in dieser Gruppe hatte eine Fettleber. Ein Viertel von ihnen wurde bereits als riskant eingestuft.

Die Überwachung aller Fettleber-Risikofaktoren muss dringend verbessert werden – insbesondere Übergewicht und das Diabetesrisiko. Auch den Patienten dürften diese Probleme kaum bewusst sein.

 

David Haerry / Juli 2019

 

[1] Pan-genotypisch heisst, dass die Therapien für die Behandlung aller Hepatitis-C Genotypen zugelassen sind.