Es passierte zuhause, beim Spülen in der Küche. Eine unglückliche Schnittwunde an der Hand, die er nicht selber behandeln konnte. Unser Patient, nennen wir ihn Martin Kummer, wohnt in einer grösseren Stadt und ging darum gleich bei der Notaufnahme im Spital vorbei. Dort lief alles wie am Schnürchen, bis die Frage nach der letzten Starrkrampfimpfung zum Patientendossier in der Infektiologie führte.

Dabei hatte alles so gut begonnen. Ein sehr freundlicher Empfang in der Notaufnahme, bloss eine kurze Wartezeit, der Befund war unkompliziert und rasch gestellt. Der diensthabende Arzt erteilte einer jüngeren Kollegin den Auftrag, die Wunde mit drei Stichen rasch zu nähen. Dann kam die Frage nach der letzten Starrkrampfimpfung, und weil Herr Kummer sich nicht erinnern konnte, verwies er auf sein Dossier in der anderen USZ-internen Abteilung – dort könnte ja sein Impfstatus vermerkt sein. Die Ärzte baten ihn kurz zu warten.

Etwas später wurde Herr Kummer in ein Behandlungszimmer gebeten. Dort hatte sich die Stimmung merklich verändert. Die jüngere Ärztin verschwand sofort und der vorgesetzte Arzt nahm das Nähen selber vor. Dazu hatte er sich zwei Paar Handschuhe übergezogen und auch noch eine Schutzbrille aufgesetzt. Während der gesamten Behandlung war er tunlichst darauf erpicht, Herrn Kummer auf keinen Fall zu berühren. Die Betäubungsspritze hat er freihändig, mit beiden Händen die Spritze haltend in die Hand des Patienten gestochen, anstatt mit einer Hand jene des Patienten zu fixieren. Für Martin Kummer war das schmerzhaft und irritierend. Auch beim eigentlichen Nähen war der Arzt sichtbar sehr nervös.

Für Herrn Kummer war die Sache klar – das Lesen seiner Krankenakte, sein HIV-Status waren die Ursache. Hätte der Arzt genauer hingeschaut, hätte er sehen müssen, dass Martin Kummer seit langer Zeit erfolgreich behandelt ist und seine Viruslast unter der Nachweisgrenze liegt. Eine Ansteckung ist somit auch in einer medizinischen Situation sehr unwahrscheinlich. Die letzte Kontrolle lag nur zehn Tage zurück. Herr Kummer betont uns gegenüber, dass kein einziges negatives Wort gefallen war. Doch das zuvor so offene und freundliche Verhalten war wie weggeblasen.

Martin Kummer war schockiert und betroffen. Zwar wurde er gut und professionell behandelt. Doch hätte er sich nie gedacht, dass er im grossen Spital, wo er als HIV-Patient so gut betreut wird, in der Notfallabteilung derart kalt abgeduscht wird sobald man seinen HIV-Status kennt.

Herr Kummer hat richtig reagiert. Er hat die Leitung der Notaufnahme schriftlich kontaktiert, und seinem Arzt eine Kopie geschickt. Die Klinik hat sich darauf entschuldigt und eine Weiterbildung für die Ärzte der Notaufnahme organisiert. Sein Arzt hat sich beherzt für ihn eingesetzt und sein Vertrauen in die Klinik ist intakt.

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Diskriminierungen dieser Art kann man auch der Aids-Hilfe Schweiz melden. Die Aids-Hilfe sammelt die Fälle und unterstützt Betroffene wenn nötig. Das Formular ist online verfügbar: http://www.aids.ch/de/was-wir-tun/lobbying/diskriminierungsmeldungen.php

 

David Haerry / November 2017