Swiss Hepatitis Symposium 2021: Wie können spät Diagnostizierte mit Hepatitis B und C verhindert werden?

Nachdem letztes Jahr das Symposium wegen Corona vollständig online abgehalten wurde, wurde es dieses Jahr als Hybrid-Veranstaltung durchgeführt. Etwa die Hälfte der rund 70 Teilnehmenden war online zugeschaltet, der Rest fand sich in der schönen kleinen Aula der Universität Zürich ein.

Hepatitis im Gefängnis

Micro-Elimination von Hepatitis C in Gefängnissen ist möglich. Dies hat einen positiven Effekt auf die Community und ist kosteneffizient. Das zeigte der Hepatologe Joaquin Cabezas, der aus Santander/Spanien angereist war. Mit multidisziplinären Teams, der Unterstützung von Telemedizin und ganzheitlich auf die Gesundheitsbedürfnisse von Häftlingen ausgerichteten Test- und Behandlungsstrategien konnten sie eindrückliche Resultate erzielen. Die Prävalenz von Hepatitis C kann so reduziert und die weitere Verbreitung auch ausserhalb von Gefängnissen gestoppt werden.

Claude Scheidegger von Hepatitis Schweiz stellte eine neue Screening- und Behandlungs-Initiative in Haftanstalten in der Schweiz vor. Das Gefängnisprojekt Swiss HepFree in Prisons Programme (SHiPP) bietet Unterstützung bei Test- und Behandlungsprogrammen von viraler Hepatitis und anderen Infektionskrankheiten in Gefängnissen. Wie Scheidegger betont, ist die Gefängnislandschaft in der kleinen Schweiz sehr divers, mit etwa 100 Haftanstalten, die zehn bis zu mehreren hundert Plätzen bieten. Ziel von SHiPP ist es, zehn Best-Practice-Fälle in Gefängnissen zu sammeln.

Ein erstes Gefängnis hat eine solche Initiative im Rahmen von SHiPP gestartet. Gefängnisärztin Christa Geissmann aus Glarus stellte ihre Erfahrung vor. Sie betont, dass die Prozesse einfach und der Support durch Hepatitis Schweiz gut seien. Es gelte jedoch, relativ rasch durch die Abklärungen zu gehen, wenn ein Test positiv ausfalle, da sonst viel Zeit verstreichen könne. So solle bei der Laborbestimmung gleich die Option RNA-Test ausgefüllt werden, damit im Falle eines positiven Antikörpertests gleich automatisch die RNA bestimmt werde. Auch die Anmeldung für einen Fibroscan für die Abklärung eines allfälligen Leberschadens kann frühzeitig vorgenommen werden. Ein erster Hepatitis-C-Patient konnte schon erfolgreich durch den Hausarzt behandelt werden.

Spät Diagnostizierte

Die zweite Hälfte des Nachmittags war ganz dem Thema «Late Presenters with viral hepatitis» gewidmet. Dafür konnte der Infektiologe Jürgen Rockstroh von der Universitätsklinik Bonn gewonnen werden, welcher Mitautor einer ersten Konsensusdefinition zu Late Presentation ist. Rockstroh betonte, dass im HIV-Bereich schon über ein Jahrzehnt eine Definition von Late Presenters, also Personen, die erst in einem späten Stadium der Erkrankung diagnostiziert werden, genutzt wird. Dies hilft abzuschätzen, wie viele Personen nicht diagnostiziert werden und welche Personengruppen schwer erreicht werden. In Deutschland zeigt eine Auswertung der Hepatitis-C-Kohorte, dass rund ein Viertel der Hepatitis-C-Patienten erst in einem späten Stadium diagnostiziert werden. Jürgen Rockstroh zeigte Daten von verschiedenen Studien in europäischen Ländern, dass jeweils zwischen einem Viertel und einem Drittel der Patienten spät diagnostiziert wird.

Für die Schweiz fehlen solche Daten. Axel J. Schmidt vom Bundesamt für Gesundheit zeigte anhand des obligatorischen Meldewesens, wie sich die Lage bezüglich der Neudiagnosen von akuter und chronischer Hepatitis B und C präsentiert. Über die Jahre ist ein konstanter Rückgang der Meldungen von Hepatitis B und C zu sehen. Jedoch gibt es Lücken im Meldewesen und die zeitliche Nachverfolgung ist nicht möglich.

Beat Müllhaupt und Montserrat Fraga vom Universitätsspital Zürich resp. vom Universitätsspital Lausanne präsentierten insgesamt sechs Fälle von Late Presenters, davon ein Fall einer Koinfektion Hepatitis B und D. Zwei der Patienten sind in der Zwischenzeit gestorben, eine geheilt, eine unbehandelt und zwei warten auf eine Lebertransplantation.

In der abschliessenden Diskussionsrunde waren sich die Panelisten einigt, dass Late presentation heute verhindert werden kann und muss. Wichtig ist, dass Zahlen zu Late Presenting regelmässig erhoben werden, damit die Versorgungssituation erhoben wird und Massnahmen zur Bekämpfung von Versorgungslücken angepasst werden können..

Die Präsentationen können auf der Website von Hepatitis Schweiz heruntergeladen werden: https://hepatitis-schweiz.ch/symposien/swiss-hepatitis-symposium-2021 und hier nachgehört werden: https://youtu.be/b5KzO84D0pw

211222 Bild HepCH Rockstroh

Moderatorin Catherine Boss im Gespräch mit Jürgen Rockstroh

Bettina Maeschli / Dezember 2021

Weitere Themen

Nationales Programm HIV und sexuell übertragbare Infektionen – warum wir nicht warten wollen

Am 25. August 2021 hat das Bundesamt für Gesundheit via Bundesratsentscheid die Entwicklung des neuen nationalen Programms HIV und sexuell übertragbare Infektionen (NHPS) auf die lange Bank verschoben, und dies ohne Konsultation mit den interessierten Parteien. Das NPHS soll die Zahl der Neuinfektionen senken und die gesundheitsschädigenden Folgen für die infizierten Personen minimieren.

Weiterlesen »

Swiss Hepatitis Symposium 2022: Viral Hepatitis and Migration

Am Montag, 28. November 2022, von 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr findet in der Welle7 in Bern das Hepatitis Symposium mit Livestream statt.

Die Gesundheit von Migrantinnen und Migranten ist ein wichtiges Thema – nicht nur in Zeiten des Krieges in Europa. Auch wenn chronische Infektionskrankheiten für Schutzsuchende, die vor Gewalt, Unruhen oder prekären Lebensbedingungen in die Schweiz fliehen mussten, oft nicht deren Hauptsorgen sind, muss der Zugang zur Versorgung gewährleistet sein. 

Bestimmte Migrantengruppen, die aus Ländern mit hoher Prävalenz stammen, können stärker von Virushepatitis oder anderen chronischen Infektionskrankheiten betroffen sein als die Allgemeinbevölkerung. Folglich können sie nach ihrer Ankunft unter Folgeerscheinungen von chronischen Infektionen leiden. 

Weiterlesen »