Stark, out & laut: Menschen mit HIV sind sehr sichtbar in Brisbane
Brisbane, AUS, Juli 2023: Es fällt auf – Menschen mit HIV sind unglaublich sichtbar an dieser Konferenz. In den Sessions, auf der Bühne, als Moderatoren und Sprecher. Eine derart starke, und zugleich überzeugende Präsenz hat der Schreibende noch nirgendwo gesehen. Ein Gespräch mit dem NAPWHA Präsidenten Scott Harlum.
Die National Association of People With HIV Australia NAPHWA ist Australiens führende Nichtregierungsorganisation, die als Dachorganisation der regionalen Gruppen von Menschen mit HIV in ganz Australien auftritt.
Der NAPHWA-Präsident Scott Harlum lebt seit acht Jahren mit HIV und seit seiner Jugend mit einer schweren Nierenerkrankung. Scott ist ehemaliger Journalist und Brand Manager bei einem multinationalen Landwirtschaftsunternehmen, war aktiv in der Gesundheitspolitik der Regierung von Queensland, früherer Manager für Gesundheitspolitik beim Consumers‘ Health Forum of Australia und Kommunikationsverantwortlicher bei einer grossen gemeinnützigen Organisation in New South Wales.
Scott, warum seid ihr so stark unterwegs?
Die australische «Antwort auf HIV/AIDS» ist glücklich, dass sie uns haben. Seit vielen Jahren verfolgt unsere Regierung einen partnerschaftlichen Ansatz, der alle Akteure explizit mit einschliesst. Das heisst: Präventionsorganisationen, Menschen mit HIV, die Ärzteschaft und Forschung und auch die Pharmaindustrie. HIV-positive Vertreter sind grundsätzlich überall dabei. Wir haben uns vor vielen Jahren von den klassischen HIV/AIDS-Hilfsorganisationen emanzipiert, weil wir einen anderen Fokus haben. Heute wäre dieser Schritt schwierig zu realisieren, weil es den Menschen mit HIV mittlerweile sehr viel besser geht. Der Therapiezugang ist problemlos, die Medikamente gut verträglich, und wir führen ein ganz normales Leben. Das war nicht immer so.
Was sind eure grossen Sorgen?
Australien könnte das erste Land der Welt sein, welches die HIV-Eliminationsziele von WHO und UNAIDS erfolgreich meistert. Da sind wir wirklich gut unterwegs, weil alle Akteure am gleichen Strick ziehen. Wir sind besorgt, dass man anschliessend das Problem als gelöst und erledigt erklärt. Wir müssen uns aber weiter für die Menschen, die mit HIV leben, engagieren – diese werden nicht einfach verschwinden. Wir dürfen nicht vergessen: Die HIV-Epidemie wird noch eine lange Nachwirkung haben. Wir engagieren uns selbstverständlich sehr für die Erreichung der Eliminationsziele, aber wir sind besorgt über das Nachher.
Australien hat seinerzeit die PrEP sehr rasch ausgerollt und in der Folge eine eindrückliche Senkung der Neu-Infektionen verzeichnet. Wo steht ihr heute?
Ja, das ist tatsächlich so, und wir sind sehr stolz auf diesen Erfolg. Die Mehrheit der HIV-Betroffenen sind bei uns die schwulen Männer, und bei ihnen hat die PrEP voll eingeschlagen. Aber bei heterosexuellen Männern, bei Frauen, Aboriginals und bei in Übersee geborenen Bewohnern Australiens steigen die Ansteckungen weiter an. Wenn wir die epidemiologischen Zahlen von 2022 anschauen, gibt es sogar einen allgemeinen Rückschlag zu verzeichnen. Wir vermuten einen Post-Covid Effekt – die Menschen gingen sich nicht testen, die Teststellen waren geschlossen, es war ein Ausnahmezustand. Wir müssen jetzt die Zahlen für 2023 abwarten. Falls sich der Trend wieder umkehrt, können wir aufatmen. Wenn nicht, dann müssen wir unsere Präventionsstrategie anpassen und vor allem für die vorher genannten Gruppen mehr tun. Die heutige PrEP funktioniert nicht überall.
Scott, herzlichen Dank für dieses Gespräch!
David Haerry / Brisbane, 25. Juli 2023
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