Ständerat: Schwarze Listen vor dem Aus?
In sieben Kantonen landen Menschen, die ihre Krankenkassenprämien nicht bezahlen, auf einer schwarzen Liste. Ausser Notfallbehandlungen werden ihnen medizinische Leistungen verweigert. Was ein Notfall ist, scheint aber nicht überall klar zu sein, denn diese Praxis führte in Graubünden zum Tod eines Menschen mit HIV – wir haben vor zwei Jahren davon berichtet. Im selben Jahr wurde in St. Gallen der Fall einer Mutter publik, welche die Kosten für eine Geburt hätte selber übernehmen sollen – die Krankenkasse meinte, das sei ein planbares Ereignis gewesen und damit kein Notfall. Nach einer Klage des Kantonsspitals unterlag die Kasse vor Gericht.
Die damaligen tragischen Ereignisse haben in der Politik zu einem Umdenken geführt. Früher meinte man, die Listen würden säumige Prämienzahler motivieren, ihre Schulden zu begleichen. «Statt Zahlungsunwillige werden Zahlungsunfähige erfasst», schrieb die Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften SAMW im Februar dieses Jahres. Solothurn und Graubünden haben ihre Listen bereits entsorgt, in den Kantonen Aargau, Luzern, Schaffhausen, St. Gallen, Tessin, Thurgau und Tessin bestehen sie weiter.
Ständerat Paul Rechsteiner sagt, die schwarze Liste sei ein Einbruch in die medizinische Grundversorgung, welche durch das Krankenversicherungsgesetz garantiert ist. Die SAMW äussert sich ähnlich.
Die ständerätliche Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit will diese Praxis nun definitiv abschaffen. Zusätzlich schlägt sie weitere Gesetzesänderungen vor. Zum Beispiel sollen junge Erwachsene nicht für Krankenkassenbeiträge aufkommen müssen, welche bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres angefallen sind.
Der Bundesrat wird sich in einigen Wochen zu den Plänen äussern müssen. Anschliessend würde die Revision im Parlament diskutiert, und die schwarzen Listen könnten per 1. Januar 2022 Vergangenheit sein.
David Haerry / Oktober 2020
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