SHCS: Die Zukunft der Kohorte ist gesichert

Die Zukunft der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie SHCS ist bis auf weiteres gesichert, der Nationalfonds hat im April 8,75 Millionen Franken für die nächsten Jahre gesprochen. Das Langzeitprojekt mit Datenzentrum läuft seit 1988 und zeigt nicht zuletzt in der Corona-Pandemie seinen unermesslichen Wert.

«Ich freue mich riesig über diese gute Nachricht aus Bern», sagt Huldrych Günthard, Professor für klinische Infektiologie am Universitätsspital Zürich USZ und Präsident der SHCS. Das USZ steuert mit knapp 2’000 Personen die grösste Gruppe Betroffener zur Kohortenstudie bei. Sie umfasste per Ende 2020 schweizweit mehr als 21’000 Menschen, die sich im Verlauf der Jahre seit 1988 mit dem HI-Virus infizierten. Von dieser übergreifenden Kohorte ist rund ein Viertel gestorben, ein weiterer Viertel ist aus der Studie ausgestiegen. Aktiv verfolgt werden zurzeit rund 10’000 Personen.

Lehrstück für die Covid-Pandemie

«Das HI-Virus gilt als das wahrscheinlich best untersuchte Virus überhaupt», sagt Günthard und schlägt eine Brücke zu Covid-19: «es dürfte in dieser Hinsicht wohl bald von Sars-CoV-2 überholt werden, das einen wahnsinnigen Forschungsboom ausgelöst hat.» Der Infektiologe betont die Bedeutung der HIV-Erkenntnisse für die aktuelle Covid-19-Pandemie: «Besässen wir nicht die jahrelangen Erfahrungen mit dem HI-Virus, hätten wir nicht derart schnell Fortschritte im Verständnis und der Bekämpfung dieses neuen Erregers gemacht.»

Das beginnt bei den PCR-und Antikörpertests für das neue Virus, die zum Beispiel am Institut für medizinische Virologie der UZH in Rekordzeit entwickelt wurden. Das zeigt sich in den Arbeiten für Impfstoffe, die in Rekordzeit auf dem Tisch lagen. Auch das Aufspüren von mutierten Varianten etablierte sich bei HIV, die dazu entwickelten Methoden kommen nun der Covid-Forschung zugute. Dank HIV besteht zudem viel Fachwissen über die entscheidenden biochemischen Indikatoren zur Kontrolle des Infektionsverlaufs. Dies trotz den biologischen Unterschieden, denn als Retrovirus besitzt das HI-Virus einen grundsätzlich anderen Mechanismus und kann sich in den befallenen Zellen im Genom verstecken.

Dennoch seien die Erfahrungen mit der HIV- und Aids-Pandemie für die Bewältigung der aktuellen Lage unbezahlbar, betont Günthard. Das zeigt sich auch an den Fachleuten, die heute die Covid-19-Massnahmen in der Schweiz prägen: Erstautor der BMJ-Studie 1997 war ein gewisser Matthias Egger, ehemaliger Leiter der aktuellen Science Task Force, Letztautor war der Infektiologe Manuel Battegay – auch er Mitglied dieser Task Force.

Covid-Forschung bei Menschen mit HIV

Wie stark die Forschung über Sars-CoV-2 von der HIV und der Kohortenstudie profitiert, zeigt das neuste Projekt von Huldrych Günthard und Kolleginnen und Kollegen, das ebenfalls vom SNF finanziert wird. Geplant sind Studien bei HIV-infizierten Menschen, die sich wegen der neuen Pandemie auch mit Sars-CoV-2 infiziert haben. Günthard rechnet mit rund 1000 bis 1500 Personen aus der HIV-Kohorte, die betroffen sein dürften. Bei ihnen sollen unter anderem die gegen Sars-CoV-2 gebildeten Antikörper detailliert analysiert werden, was es erlauben wird, die Immunantwort mit derjenigen gegen HIV zu vergleichen und besser zu verstehen.
Weil über die Personen der HIV-Kohorte detaillierte, langjährige Dokumentationen über ihre Immunreaktionen existieren, können die Covid-19-Verläufe weitgehender analysiert werden. Zudem lassen sich auch Schlüsse zur Wirksamkeit antiretroviraler Medikamente gegenüber Sars-CoV-2 und Long Covid ziehen. «Es gibt eine Unzahl spannender Fragen, die dank der Daten aus der Kohortenstudie untersucht werden können», sagt Günthard. Das Datenzentrum der SHCS, an dem sieben grosse Kliniken, 14 Regionalspitäler und 48 Privatärzte aus der Schweiz beteiligt sind, befindet sich an der UZH und wird von der HIV-Forscherin Katharina Kusejko geleitet.

HIV lässt nicht locker

Niemand hat damit gerechnet, dass die HIV-Kohortenstudie in diesem Umfang für eine andere Pandemie nützlich sein könnte, was die visionäre Sicht, ein solches Unterfangen zu beginnen, unterstreicht. Aber auch ohne diesen Zusatznutzen bleibt die wegweisende Studie wichtig. Denn HIV lässt nicht locker: In der Schweiz infizieren sich noch immer 400 – 500 Menschen jährlich mit dem HI-Virus und knapp 100 zeigen Symptome von Aids.

Stefan Stöcklin, Redaktor UZH News, gekürzt.

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