Basil Nkedi ist 38-jährig und lebt und arbeitet seit 2008 in Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso. Der Kameruner machte eine Tänzerausbildung und tourte jahrelang mit Tanzkompanien durch ganz Afrika. Unter anderem lebte er lange in Côte d’Ivoire und Äquatorialguinea. Nach einer Rückenverletzung musste er das Tanzen mehr und mehr zurückstellen. Heute arbeitet er als Coiffeur und Make-Up Artist.

Schwule Männer werde in den meisten afrikanischen Ländern massiv diskriminiert und in einigen Ländern sogar strafverfolgt. Auch heute noch kommt es in diesen Ländern zu homophoben Ausschreitungen. Für die HIV- und STI-Prävention ist es problematisch, wenn Menschen im Verborgenen leben und dadurch für Information und Unterstützung nicht erreichbar sind. Das Gespräch wurde in Ouagadougou geführt.

Lieber Basil, wie ist das Leben in Burkina für Dich?
Die Homosexualität ist tabu. Und Burkina ist noch tolerant im Vergleich zu Ländern wie Uganda, in dem die gleichgeschlechtliche Liebe verfolgt wird und schwule Männer sogar zum Tod verurteilt werden. Côte d’Ivoire ist liberaler, ähnlich wie Südafrika.

Wie hast Du gemerkt, dass Du schwul bist?
Ich war schon als Neunjähriger anders. Ich interessierte mich mehr für die Mädchenwelt. Damals glaubte man, das würde ich schon noch ändern, aber das geschah nicht. Sogar als ich den Stimmbruch bekam, war ich sehr feminin. Für mich ergab sich das alles sehr natürlich. Mit 17 hatte ich die erste sexuelle Beziehung, mit einem Franzosen. Da war mir klar, dass ich anders bin als alle meine Freunde.

Und schüchtern warst Du nicht?
In Afrika trampelt man immer auf den Schwächsten rum und das habe ich früh gelernt. Wenn man das zulässt, dann hat man kein schönes Leben. Von meiner Mutter habe ich eine starke Persönlichkeit geerbt und das hat mir immer sehr geholfen.

Magst Du noch mehr von deiner ersten Beziehung erzählen?
Ich war damals im Gymi. Eines Tages kam ich aus der Schule und es regnete in Strömen. Ein Wagen fuhr an mir vorbei und spritze mich voll. Der Fahrer kehrte um, entschuldigte sich und fragte, ob ich mit ihm fahren wolle. Ich ging mit und auf der Fahrt bemerkte ich, dass er mich immer ansah. Ich habe mir aber nichts anmerken lassen.

Er lud mich dann zu sich ein, um eine Cola zu trinken. Bei ihm zuhause haben wir es uns gemütlich gemacht. Er hat mich gestreichelt und da bin ich zu mir gekommen habe mir gesagt: „Einmal ist immer das erste Mal!“ Für mich wurde ja ein Traum wahr, endlich mit einem Mann zusammen zu sein. So war das erste Mal.

Wir waren drei Jahre zusammen, haben uns aber nur im Versteckten getroffen. Er war ein wunderschöner Mann. Er hat in Kamerun ein grosses nationales Unternehmen repräsentiert.

Hast Du mit jemandem darüber gesprochen?
Im Gymi gab es einen Typen, der so war wie ich. Wir haben uns beim Sport kennengelernt. Nach und nach haben wir einander unsere Geheimniss anvertraut, er erzählte von seinen Abenteuern und ich von meinen. Wir sind dicke Freunde geworden.

Habt ihr auch mal über Schutz gesprochen?
Ob wir gewusst haben, dass man sich schützen sollte? Er vielleicht, ich war darin aber eher naiv. Ich hatte am Anfang immer ungeschützte Beziehungen.

Hattet ihr in der Schule Aufklärungsunterricht?
Ja, im Gymi hatten wir das, es war ja Äquivalent zu den Gymis in Frankreich. In den Naturwissenschaften hat man uns alles erklärt, den Schutz zwischen Männern, zwischen Männern und Frauen.

Wie ging es mit deinem ersten Freund weiter?
Er ging zurück nach Frankreich. Das war wirklich hart. Wir haben uns dann lange Zeit Briefe geschrieben, es gab ja noch keine Emails oder Handys. Aber Distanzbeziehungen funktionieren ja meistens nicht. Zwei Jahre später haben wir uns getrennt.

Dann habe ich einen Zahnarzt kennengelernt. Mit ihm war ich lange zusammen und wir lebten zusammen in Äquatorialguinea. Es ging dann aber auseinander, weil er sehr untreu war. Für mich ist jede Beziehung wie eine Ehe: man bleibt zusammen durch dick und dünn. Darum hielt ich es mit ihm nicht mehr aus.

Wie hast Du eigentlich von HIV erfahren?
Das wurde mir sehr früh bewusst. Seit meinen Zwanzigern mache ich jedes Jahr einen Test. Es wurde mir auch klar, wie wichtige das Präservativ ist, und dass man nicht einfach auf die Gesundheit des Partners vertrauen kann. Letztlich weiss man ja nicht, ob jemand etwas hat, auch wenn er super aussieht und ganz cool ist. Ausserdem sind die Medien heute voll mit Aids. Wenn das heute einer nicht mehr Ernst nimmt, dann stimmt wohl etwas nicht mit ihm. Wir sehen hier ja die Menschen mit HIV und die Aidskranken im Fernsehen und auf der Strasse. Wie sind umgeben davon. Mein Mitbewohner ist positiv. Heute kann man das wirklich nicht mer ignorieren. Ich habe gerade vor drei Wochen den Test gemacht, Gott sei Dank kam er wieder negativ heraus.

Gibt es eigentlich schwulenfreundliche Ärzte?
Nicht in Burkina, hier musst Du ins Spital. Die meisten Männer vermeiden es, wegen jeder kleinen Verletzung ins Spital zu gehen. Dort machen Sie dir noch Vorwürfe: „Du warst mit einem Jungen zusammen? Schämst Du dich nicht?“

In Côte d’Ivoire gibt es die „petites cliniques“, ein Spezialangebot für Schwule und für Sexworkerinnen. Am Dienstag gehen die Männer, am Mittwoch die Frauen. Dort kannst Du mit einem Arzt sprechen, dem Du alles sagen kannst. Diese Ärzte helfen und beraten wirklich, und man kann dort Kondome und Gleitmittel bekommen.

Sind die Homosexuellen in Kamerun organisiert?
Fast überall in Afrika verheimlichen schwule Männer ihre Identität aus Angst. Und je mehr Angst man hat, umso unwissender bleibt man. Je geheimer man lebt, umso schwieriger ist es, sich zusammenzutun, zu organisieren. Sogar die Schwulen misstrauen einander in Afrika. Da gibt es noch viel zu tun.

Aber die Gesellschaften veränder sich auch. Zum Beispiel erfahren die Menschen doch heute viel mehr per Internet.
Ja und Nein. Als meine Familie verstanden hat, dass ich Männer liebe, haben sie mich ausgestossen. Das war wirklich hart. Andererseits sind die Afrikaner und die afrikanischen Familien stark aufs Materielle, aufs Geld fixiert. Heute bin ich das Lieblingskind weil ich am besten verdiene.“Er hat ja Geld, da kann er schon etwas entbehren, 10’000 Franc für den, 10’000 Franc für diesen.“ Wenn Du ihnen sagst, dass Du schwul bist, dann tun sie schockiert. Aber sobald Du Geld hast, redet keiner mehr davon.

Meinst Du, dass sich das alles mal ändern wird.
Ja, aber das braucht Zeit. In Südafrika können schwule Paare heute heiraten. Wenn die es begriffen haben, dann wird es wohl in Côte d’Ivoire auch bald soweit sein. In Uganda dauert es wohl etwas länger. Kürzlich habe ich in Uganda Radion gehört und gleich wieder ausgemacht. Ich bin ein Gläubiger Menschen und ich sage mir immer: „Der Gott, der uns erschaffen hat, verstösst niemanden.“ Er kennt uns und unser Schicksal.

Haben sich in Afrika die Wahrnehmungen und Einstellungen gegenüber Aids verändert?
Ja, ich glaube, dass die heutigen Jungen es verstanden haben. Wenn man heute ausgeht und mit jemandem nach Hause, dann fragen die meisten nach dem Präservativ. Ich glaube, auch die HIV-Positiven werden etwas anders wahrgenommen in Afrika. Mein Wohnpartner ist positiv, wir essen aus demselben Teller, umarmen uns, trösten uns. Er verlangt von seinem Partner immer zwei Kondome gleichzeitig.

Das wichtigste ist sicher, dass Aids in Afrika heute weltweit wahrgenommen wird und dass man alles unternimmt, um diese Plage zu besiegen.

Lieber Basil, danke für dieses interessante, persönliche Gespräch.

Brigitta Javurek, Aids-Hilfe Schweiz

Swiss Aids News 2, Juni 2010, www.aids.ch