Die Schweizer Heilmittelagentur Swissmedic hat bisher ein Auge zugedrückt: Es wurden Einfuhrmengen von drei Monatspackungen generischem Truvada toleriert, wenn diese von einem in der Schweiz ausgestellten Rezept begleitet waren. Ab April toleriert die Swissmedic nur noch eine Monatspackung, und das, man glaubt es nicht, ohne Beilage eines Rezepts eines in der Schweiz praktizierenden Arztes. Damit wird dem PrEP Konsum ohne medizinische Überwachung geradezu stimuliert.
Die bisherige Toleranz hat sich früher bewährt: Im Falle von damals nicht vergüteteten Hepatitis-C Präparaten hat man bei Eigenimporten diesen Spielraum erfolgreich ausgenutzt. Das selbst importierte generische Truvada ist eine Erfolgsgeschichte: Allein im Raum Zürich dürften sich über 1’000 HIV-negative Prepster auf diese Weise vor einer Ansteckung schützen. Die rückläufigen Neudiagnosen im vergangenen Jahr sprechen für sich.
Die Swissmedic begründet den Schritt unter anderem mit «Importquellen, die wahrscheinlich zu kriminellen Netzwerken gehören». Diese nicht weiter belegte Behauptung wirkt zumindest abenteuerlich. Kürzlich publizierte Studien aus England attestieren den bekannten Importkanälen eine einwandfreie Qualität der gelieferten Ware. Weiter beklagt Swissmedic Importe ohne beiliegendes Rezept. Dabei handelt es sich um einen Fehler bei einem bekannten Lieferanten. Dieser wurde über das Problem informiert und hat seine Prozesse optimiert. Ferner wurden in Einzelfällen Rezepte nachträglich vorgelegt, und möglicherweise auch gefälschte. Dabei dürfte es sich zu Teil um Leute handeln, welche sich die PrEP ohne medizinische Aufsicht besorgen wollen. Selbst wenn die angeführten Gründe wirklich bedeutsam wären, stellt sich die Frage was sich ändert, wenn man die Importmengen einfach beschränkt. Vermutlich rein gar nichts, und wenn man gleichzeitig die Rezeptpflicht abschafft, macht sich die Behörde erst recht unglaubwürdig.
Zusätzlich empfiehlt die Swissmedic offiziell die Bestellung über eine Schweizer Apotheke aus Deutschland. Die Kosten hierfür sind in Zürich für eine Packung des Ratiopharm Produktes zwischen 95 und 137 Franken, sprich das 3-4fache einer Packung generischen TDF/FTC, das über Dynamix oder Greencross bezogen wird. Für viele Klienten der Checkpoints ist das keine Option, die sie sich leisten können.
Aus unserer Sicht ist der Bedarf nach importierten Generika für die PrEP die direkte Folge eines Systemversagens in der Schweiz. Jahrelang hat man die Intervention verteufelt und potentiellen Nutzern das Leben schwer gemacht. Das bisherige Entgegenkommen der Swissmedic hat viele Neuansteckungen verhindert. Die abrupt getroffenen Massnahmen bestrafen viele für die Tapsigkeit von einigen wenigen PrEP Nutzern. Wir haben alles versucht, die Swissmedic von ihren Vorhaben abzubringen, leider ohne Erfolg. Die bisher ausgezeichnete Zusammenarbeit mit der Swissmedic scheint gefährdet. Möglicherweise hat das auch mit der neuen Institutsleitung zu tun. Moderne Public Health sieht anders aus.
Die Checkpoints und diverse Akteure arbeiten mit Hochdruck an einer Lösung der unglücklichen Situation. Ein niederschwelliger Zugang zur PrEP muss in der Schweiz möglich sein.
David Haerry / März 2019