Shephard L. et al, Clinical Infectious Diseases Februar 2019
Dass Rauchen ungesund ist und das Risiko für Lungenkrebs deutlich erhöht, ist bestens untersucht. Weniger gut untersucht ist, in welchem Ausmass das Rauchen bei HIV-infizierten Personen zu einem Krebsrisiko beiträgt und wie lange es braucht, bis das Risiko für Lungenkrebs nach einem Rauchstopp zurückgeht. Frühere Studien bei HIV-negativen Personen haben gezeigt, dass nach einem Rauchstopp das Risiko für Lungenkrebs nach etwa fünf Jahren stark abnimmt. Dass dies bei HIV-infizierten Personen nicht der Fall ist, zeigt nun die vorliegende Studie.
In der Allgemeinbevölkerung erhöht Rauchen die Sterblichkeit um das Dreifache und das Risiko für Lungenkrebs ist deutlich erhöht. Studien in der Allgemeinbevölkerung haben allerdings gezeigt, dass nach einem Rauchstopp das Krebsrisiko bereits nach einigen wenigen Jahren wieder abnimmt. In der vorliegenden Studie haben die Autoren untersucht, ob dies auch bei HIV-infizierten Personen der Fall ist. Insgesamt wurden für diese Analyse 35’442 Personen von verschiedenen Kohorten aus Europa, den USA und Australien eingeschlossen, darunter auch Patienten aus der Schweizerische HIV Kohortenstudie. Diese Patienten wurden zusammengerechnet über mehr als 300’000 Patientenjahre beobachtet und zwar ab 2004 bis zum Auftreten von einem Krebs oder spätestens bis Ende Februar 2016. Es wurden verschiedene Krebsarten angeschaut: Lungenkrebs, Krebse, die in Zusammenhang mit Rauchen gehäuft auftreten (zum Beispiel Bauchspeicheldrüsenkrebs, Dickdarmkrebs) und Krebse, die nicht typischerweise in Zusammenhang mit Rauchen stehen. Die Patienten wurden in «Raucher», «Ex-Raucher» oder «Nicht-Raucher» unterteilt. Es bestanden keine Informationen darüber, wie viel die Patienten geraucht hatten, welche Stärke die gerauchten Zigaretten hatten oder ob auch E-Zigaretten oder Pfeifen geraucht wurden.
Die Hauptresultate der Studie waren die folgenden:
- Bei Eintritt in die Studie waren 49% der Teilnehmer Raucher, 21% Ex-Raucher und 30% Nicht-Raucher.
- Es traten praktisch keine Lungenkrebse bei Nicht-Rauchern auf.
- Bei Rauchern lag das Risiko für Lungenkrebs im ersten Jahr nach Rauchstopp 20mal höher im Vergleich zu den Nicht-Rauchern und blieb über die nächsten fünf Jahre um das Achtfache erhöht.
- Nach Rauchstopp blieb das Risiko für Lungenkrebs über viele Jahre gleich hoch wie bei den Rauchern.
- Fasste man alle Krebsarten in einer Analyse zusammen, so traten diese bei Rauchern am häufigsten im ersten Jahr nach Rauchstopp auf und waren in diesem Zeitraum fast doppelt so häufig wie bei Nicht-Rauchern
Zusammenfassend zeigt die Studie, dass bei HIV-infizierten Personen das Risiko für Lungenkrebs auch nach Rauchstopp über viele Jahre erhöht bleibt. Anders als in der HIV-negativen Allgemeinbevölkerung, führt ein Rauchstopp also nicht zu einem raschen Rückgang des Risikos für Lungenkrebs. Es ist deshalb wichtig, HIV-infizierte Personen von Rauchen abzuhalten und Programme zu entwickeln, welche einen Rauchstopp unterstützen. Ebenso ist es wichtig, dass auch nach Rauchstopp das Bewusstsein für die mögliche Entwicklung eines Lungenkrebses bestehen bleibt.
Kommentar Positivrat
David Haerry
Viele Studien haben die fatale Auswirkung von Rauchen bei Menschen mit HIV bereits gezeigt. Weshalb die Folgen bei HIV-positiven Rauchern noch schlimmer sind als bei HIV-negativen Rauchern wissen wir bis heute nicht. Alle Schweizer Kliniken bemühen sich, ihre Patienten zum Verzicht auf Zigaretten zu motivieren – das Universitätsspital Genf spielte hier eine Pionierrolle. Dass nun der Rauchstopp nur mit grosser Verzögerung einen positiven Effekt auf das Krebsrisiko hat, ist eine Enttäuschung. Zu hoffen ist, dass diese Erkenntnis die Motivation der Patienten mit dem Rauchen aufzuhören nicht sabotiert.