Kohorten-News SHCS: Respond Konsortium zu Bluthochdruck

Die SHCS beteiligt sich häufig an Forschungsprojekten in Zusammenarbeit mit anderen Kohortenstudien. Das ist vor allem dann sinnvoll, wenn Fragen untersucht werden sollen, welche eine sehr grosse Datenmenge benötigen. Eines dieser Projekte ist das EU-finanzierte Respond Konsortium. In diesem Rahmen wurde ein möglicher Zusammenhang zwischen Integrasehemmern und Bluthochdruck sowie Herz-Kreislauf Erkrankungen untersucht. In zwei Studien sieht man ein Signal, doch eindeutig ist die Sache nicht.

Bluthochruck und Integrase-Hemmer bei Menschen mit HIV.
HIV Medicine, Dathan M Byonanebye et al.

Bluthochdruck ist weltweit eine der Hauptursachen für vorzeitige Todesfälle und ein zunehmendes Problem bei Menschen, die mit HIV leben. Weltweit leiden etwa ein Drittel aller erwachsenen Menschen mit HIV unter Bluthochdruck.
Es gibt bereits klare Hinweise darauf, dass die HIV-Medikamente aus der Klasse der Integrase-Hemmer mit einer Gewichtszunahme einhergehen, aber die Daten, die diese Wirkstoffe mit Bluthochdruck in Verbindung bringen, sind widersprüchlich.

In dieser Analyse haben die Forschenden das Auftreten von Bluthochdruck bei Menschen mit HIV unter Integrasehemmer-Therapie untersucht und mit modernen HIV-Medikamenten aus der Klasse der Nicht-Nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTIs) und Protease-Hemmer verglichen.

Die Analyse erfolgte im Rahmen von RESPOND, einem Konsortium von 17 Beobachtungskohorten, welche über 30’000 Personen mit HIV in Europa und Australien verfolgen.

Bluthochdruck wurde definiert als «oberer Blutdruckwert» von höher als 140 und/oder ein «unterer Blutdruckwert» von höher als 90 oder den Beginn eines medikamentösen Blutdrucksenkers.

Von den 4’606 Personen mit HIV, die in die Studie eingeschlossen wurden und zu Beginn der Studie keinen Bluthochdruck hatten, entwickelten über einen mittleren Beobachtungszeitraum von 1.5 Jahre 23 Prozent einen Bluthochdruck.

Insgesamt war das Auftreten von Bluthochdruck bei Teilnehmern die Integrasehemmer erhielten um 76 % höher als bei Teilnehmern die eine NNRTI-haltige antiretrovirale Therapie erhielten. Es gab aber keinen Unterschied im Vergleich zu den Teilnehmern, die Protease-Hemmer als Teil ihrer HIV-Therapie erhielten.

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse dieser Studie, dass Bluthochdruck bei Menschen mit HIV häufig ist. Zudem zeigt sich ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Bluthochdruck bei Menschen mit HIV, welche mit Medikamenten aus der Klasse der Integrase-Hemmer behandelt werden im Vergleich zu einer NNRTI-haltigen Therapie. Ob das höhere Blutdruck-Risiko unter Integrasehemmer mit einer Gewichtszunahme zusammenhängt, muss nun in weiteren Analysen untersucht werden.

Zusammenhänge zwischen Integrase-Hemmer und Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Menschen mit HIV: eine prospektive Multicenter-Studie des RESPOND-Kohortenkonsortiums.
Bastian Neesgaard et al, Lancet HIV

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind ein wichtiges Thema bei der Betreuung von Menschen, die mit HIV leben. Seit dem breiten Zugang zu antiretroviralen Medikamenten ist die Lebenserwartung von Menschen mit HIV stetig gestiegen, wodurch sie auch anfälliger für Nebenwirkungen der Medikamente sind, welche sich auf das Herz-Kreislaufsystem und/oder Stoffwechselvorgänge betreffen. Mehrere antiretrovirale Medikamente, darunter Proteasehemmer und Abacavir, wurden in der Vergangenheit mit einem erhöhten Herz-Kreislauf-Risiko in Verbindung gebracht. Dagegen haben nur wenige Studien dieses Risiko bei der Behandlung mit den heute sehr populären Integrasehemmern bewertet.

Fast 30’000 HIV-Patienten mit einem Alter von 44 Jahren im Mittelwert wurden in diese Analyse eingeschlossen. Ein Viertel davon waren Frauen und 48% waren einem Integrasehemmer ausgesetzt gewesen. Während einer durchschnittlichen Beobachtungszeit von 6 Jahren entwickelten 748 der Teilnehmenden ein Herz-Kreislauf-Ereignis, der Herzinfarkte, Schlaganfälle sowie invasive Eingriffe an Blutgefässen umfasste. Das entspricht 3% der Studienteilnehmer. Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen war in den ersten sechs Monaten der Behandlung mit einem Intergrasehemmer im Vergleich zu anderen Behandlungen fast doppelt so hoch, während dieser Risikounterschied nach zwei Jahren der Behandlung nicht mehr zu beobachten war.

Zusammenfassend handelt sich um die erste grosse Kohortenstudie, die einen erkennbaren Zusammenhang zwischen der Anwendung von Integrasehemmern und einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufzeigt. Da die Daten der Studie jedoch aus einer Beobachtungsstudie stammen, unterliegen diese zahlreichen Störgrössen und es lässt sich daher nicht auf einen klaren Ursache-Wirkung-Zusammenhang schliessen. Diese Ergebnisse wurden in einer aktuellen Studie der SHCS, deren genauere Methodik die Verwendung von Integrasehemmern bei HIV-Infizierten sicherstellt, nicht bestätigt. Es wird weitere Studien brauchen, bevor endgültige Schlussfolgerungen gezogen werden können.


Kommentar Positivrat

David Haerry

Auf den ersten Blick bereiten diese Studien schon Sorgen, und die Resultate wurden auch eifrig diskutiert. Doch für Alarmglocken besteht kein Anlass. Es braucht weitere Studien, welche diese Resultate bestätigen. Wir Betroffenen können aber sehr wohl etwas zu, um die möglichen schädlichen Auswirkungen auf Herz-Kreislauf im Schach zu halten: Übergewicht verhindern, nicht rauchen, regelmässige Bewegung und Mittelmeerdiät. Dieser Rat gilt auch für Menschen ohne HIV.

Weitere Themen

AIDS 2024 in München: «We are not alone»

An der internationalen Aids-Konferenz Ende Juli 2024 versammelten sich in München Tausende von Teilnehmenden aus der ganzen Welt. Man konnte nicht nur Neustes aus der Forschung und Prävention erfahren, es war auch eine einmalige Gelegenheit, Menschen aus der ganzen Welt

Weiterlesen »

AIDS 2024 München: 100% Schutz vor HIV mit 2 Spritzen pro Jahr 

Linda Gail-Bekker, eine bekannte Forscherin aus Kapstadt, sorgte für weltweite Schlagzeilen und brachte den nüchternen Konferenzraum zum Toben. Sie präsentierte sensationelle Studienergebnisse aus Uganda und Südafrika – untersucht wurden drei Präventionsstrategien bei 5’338 jungen Frauen. Eine der drei Interventionen schützt

Weiterlesen »

PrEP in der Schweiz

Wir haben uns im Juli zur Kostenübernahme der PrEP durch die Krankenkassen bereits kritisch geäussert. Damit die PrEP optimal genutzt wird und möglichst viele Neuansteckungen verhindert werden, müssen alle Barrieren weg. Von einer weiteren neuen Schranke wussten wir im Juli

Weiterlesen »

Lorem ipsum dolor sit amet, consectetur adipiscing elit. Ut elit tellus, luctus nec ullamcorper mattis, pulvinar dapibus leo.