Borges AH et al, Antiretrovirals, Fractures, and Osteonecrosis in a Large International HIV Cohort, Clinical Infectious Diseases, 2017 May 15;64(10):1413-1421. doi: 10.1093/cid/cix167

Es ist bekannt, dass gewisse HIV-Medikamente den Knochenstoffwechsel ungünstig beeinflussen können. Unbekannt ist, ob dies zu einem höheren Risiko für Knochenbrüche führen kann. Forscher aus verschiedenen europäischen HIV Kohortenstudien sind dieser Frage nachgegangen und haben die Faktoren untersucht, welche bei HIV-infizierten Personen zu Knochenbrüchen und einem Absterben des Knochens (sogenannte Knochennekrose) führen können. Die Studie hat gezeigt, dass von allen HIV-Medikamenten nur die Substanz Tenofovir Disoproxil Fumarat (TDF) das Risiko für Knochenbrüche erhöht. Welche Konsequenz sich daraus ergibt, lesen sie weiter unten.

Insgesamt wurden 11’820 Personen in die Studie eingeschlossen und über einen Zeitraum von insgesamt 86’118 Jahren nachbeobachtet. Das Durchschnittsalter der Studienteilnehmer betrug 41 Jahre, zwei Drittel davon waren männlich, die CD4-Zellzahl betrug im Durschnitt 440 Zellen pro Mikroliter und 70% hatten eine unterdrückte HIV-Viruslast. Bei den Studienteilnehmern traten insgesamt 610 Knochenbrüche und 89 Osteonekrosen auf. Folgende Faktoren waren mit einem erhöhten Risiko für Knochenbrüche vergesellschaftet: hohes Alter, Untergewicht, intravenöser Drogenkonsum, tiefe CD4-Zellzahl, Hepatitis C Koinfektion, stattgehabte Knochennekrosen und Knochenbrüche, Herzkreislauferkrankungen und kürzlich durchgemachte Krebserkrankungen.

Studienteilnehmer, welche unter einer antiretroviralen Therapie mit Tenofovir Disoproxil Fumarat (TDF) standen, hatten ein 50-Prozent höheres Risiko für Knochenbrüche im Vergleich zu Personen ohne TDF. Ebenso war das Risiko leicht erhöht, wenn eine Person in der Vergangenheit TDF verschrieben bekommen hatte. Für alle anderen HIV-Medikamente bestand kein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche oder Osteonekrosen.

Zusammenfassend zeigt diese Studie, dass Veränderungen des Knochenstoffwechsels bei HIV-positiven Personen das Auftreten von Knochenbrüchen und Osteonekrosen begünstigen. Die Risikofaktoren für Knochenbrüche bei HIV-infizierten Personen sind vielfältig und beinhalten genetische Faktoren, HIV-bedingte Faktoren und andere Begleiterkrankungen. Da die Substanz TDF das Risiko für Knochenbrüche bei HIV-positiven Personen erhöht, sollte diese Substanz zur Behandlung der HIV-Infektion nur noch zurückhaltend eingesetzt werden. Stattdessen empfiehlt es sich, auf die Nachfolgesubstanz Tenofovir Alafenamid Fumarat (TAF) zu wechseln, da für TAF die Nebenwirkungen von TDF nicht bekannt sind. Konkret bedeutet dies, dass der Arzt bei Patienten, welche unter einer Therapie mit Truvada® stehen, eine Umstellung auf das Medikament Descovy® diskutieren sollte.


Kommentar Positivrat

David Haerry

Besonders relevant sind diese Daten für Frauen und ältere Menschen mit HIV. Die meisten dürften mittlerweile umgestellt sein. Falls nicht, sprechen Sie Ihren Arzt darauf an. Die Erkenntnisse sind ja nicht gerade neu.