Lopinavir/Ritonavir und Hydroxychloroquin konnten COVID-19 nicht besiegen
Als die COVID-19-Pandemie in China begann, wurden schwere Formen der Infektion mit Lopinavir/Ritonavir behandelt. Erste Ergebnisse deuteten auf eine erfolgreiche Anwendung hin. Später gab es auch Berichte über die erfolgreiche Behandlung mit Remdesivir und Hydroxychloroquin. Daher beschloss die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im März 20201, eine grosse randomisierte Studie durchzuführen, um festzustellen, wie effektiv der Einsatz von bereits zugelassenen Arzneimitteln bei der Behandlung von COVID-19-Infektionen ist. Die Studie verglich die lokale Standardbehandlung mit der lokalen Standardbehandlung ergänzt mit jeweils einem der folgenden Medikamente:
- Remdesivir
- Lopinavir mit Ritonavir
- Lopinavir mit Ritonavir plus Interferon Beta-1a
- Hydroxychloroquin
Bereits im März zeigte die erste klinische Studie bei 199 erwachsenen Patienten und Patientinnen mit schwerem COVID-19-Verlauf keine Vorteile der antiretroviralen (ARV) Medikamente Lopinavir/Ritonavir im Vergleich zur Standardbehandlung2.
Im April zeigte eine kleine randomisierte Studie in China keine schnellere Genesungsdynamik bei Patienten/-innen mit mässigerem und mittlerem Verlauf von COVID-19 für das HIV-Medikament Lopinavir/Ritonavir (Kaletra) und das Influenza-Medikament Umifenovir (Arbidol)3.
Im März 2020 startete die RECOVERY-Studie in Grossbritannien; sie sollte die Wirksamkeit einer Reihe von Arzneimitteln mit potenzieller Aktivität gegen COVID-19 analysieren. Unter ihnen waren auch Lopinavir/Ritonavir. Diese Kombination von ARV mit dem Handelsnamen Kaletra wurde von fast 1’600 Personen eingenommen, die mit Sars-CoV-2 ins Krankenhaus eingeliefert wurden4. Ihre Daten wurden mit denen von 3’400 Patienten/-innen verglichen, die eine Standardbehandlung erhielten. Die Mortalität innerhalb von 28 Tagen lag für beide Gruppen gleich hoch: Sie betrug 22,1% in der Kaletra-Gruppe und 21,3% in der Kontrollgruppe. Vorteile des ARV-Regimes in Bezug auf die Dauer des Krankenhausaufenthaltes oder das Risiko einer mechanischen Beatmung zeigten sich ebenfalls nicht.
Das Malariamedikament Hydroxychloroquin zeigte in den RECOVERY-Studien ebenfalls keine signifikante Verbesserung und wurde vom Forschungsteam gestrichen5. Gemäss den Grundsätzen der Wirksamkeit und Sicherheit brach die WHO daher am 4. Juli die Versuche mit den Arzneimitteln Hydroxychloroquin und Lopinavir/Ritonavir bei der Behandlung von Sars-CoV-2 ab6.
Zuletzt wurde die Studie einer Gruppe von Forschenden aus Basel (Uni und Unispital) eingestellt. Sie beobachteten 92 Patienten, die mit COVID-19 ins Krankenhaus eingeliefert wurden, und massen die Konzentration von Lopinavir/Ritonavir und Hydroxychloroquin im Blut7. Aus den Werten konnten die Forschenden schliessen, dass die Konzentration beider Substanzen in der Lunge nicht ausreicht, um das Virus zu bekämpfen.
All diese Ergebnisse bestätigen, dass Lopinavir/Ritonavir und Hydroxychloroquin bei der Behandlung komplexer Formen von COVID-19 keinen Nutzen bringt. Sie gelten jedoch nicht für Prophylaxe-Studien und für solche Studien, die Patienten/-innen ohne Krankenhausaufenthalt untersuchen könnten.
Alex Schneider / August 2020
2. Bin Cao et al. A Trial of Lopinavir–Ritonavir in Adults Hospitalized with Severe Covid-19. N Engl J Med 2020; 382:1787-1799 https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2001282
3. Yueping Li et al. Efficacy and safety of lopinavir/ritonavir or arbidol in adult patients with
mild/moderate COVID-19: an exploratory randomized controlled trial. CellPress. https://www.cell.com/pb-assets/products/coronavirus/MEDJ1.pdf
7. Catia Marzolini et al. Effect of Systemic Inflammatory Response to SARS-CoV-2 on Lopinavir and Hydroxychloroquine Plasma Concentrations. Antimicrobial Agents and Chemotherapy, 8 July, 2020; https://aac.asm.org/content/early/2020/07/07/AAC.01177-20
Weitere Themen
COVID-19 bedingte Kollateralschäden bei der HIV-Therapie in der Schweiz?
Die zweite Welle der SARS-CoV-2 Pandemie hat die Schweiz fest im Griff. Die Infektionskliniken der Schweizer Spitäler funktionieren mit der Intensivmedizin im Krisenmodus.
Hochrisikopatienten appellieren an Gesundheitsbehörden, spezielle Bedürfnisse während Covid-19-Pandemie ernstzunehmen – Press Release
Schweizer Patientenorganisationen und Hochrisikopatienten fühlen sich in der Covid-19 Pandemie von den Behörden im Stich gelassen. Sie appellieren an nationale und kantonale Behörden, um die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf immungeschwächte Patienten anzugehen und vorbeugende Massnahmen zur Reduktion dieser Risiken zu empfehlen.
Sollen wir uns gegen Covid-19 impfen lassen? Sehr vieles spricht dafür.
Es melden sich einige Menschen mit HIV und fragen, ob sie sich gegen Covid-19 impfen lassen sollen. Das Gerangel um den Impfstoff von Astra-Zeneca hat offenbar viele Menschen verunsichert.