Eine HIV-Infektion kann den Alterungsprozess beschleunigen und zu Begleiterkrankungen führen. Die Therapie bekämpft zwar das Virus, kann aber zu Langzeitnebenwirkungen führen. Deshalb interessiert die Fragen, was Patientinnen und Patienten selbst beitragen können zur Lebensqualität im Alter.

Dank der guten Therapiemöglichkeiten verbunden mit einer medizinischen Betreuung haben Menschen mit HIV heute wieder eine recht gute Lebensqualität. Ihre Lebenserwartung ist vergleichbar mit derjenigen von Patienten mit anderen chronischen Krankheiten, die eine dauernde medikamentöse Behandlung erfordern. Doch wie sieht es mit der Gesundheit aus bei Menschen, die schon über längere Zeit mit dem HIV leben? Wie geht es im fortgeschrittenen Alter weiter und was können ältere Menschen selbst zu ihrer Gesundheit und Lebensqualität beitragen? Ein erster Schritt ist, dass man sich regelmässig über neue Medikamente, Nebenwirkungen, Begleiterkrankungen und deren Gegenmassnahmen informieren lässt.

HIV kann den Alterungsprozess beschleunigen

Bisherige Langzeituntersuchungen ergaben, dass HIV den Alterungsprozess beschleunigen kann. Die Medikamente bekämpfen zwar das Virus und damit den negativen Einfluss von HIV im Alterungsprozess, gleichzeitig können aber Langzeitnebenwirkungen und Begleiterkrankungen auftreten. Neun von zehn älteren Betroffenen müssen mit einer oder mehreren der folgenden Beschwerden leben: Bluthochdruck, Depressionen, Neuropathie, Lebererkrankungen, Verminderung der Nierenfunktion, Hautproblemen oder Herpes. Ein gewisses Risiko besteht auch für Tuberkulose, Osteoporose, Demenz und weitere Erkrankungen.

Teilnahme an der Schweizer HIV-Kohorte

Eine Teilnahme an der Schweizerischen HIV-Kohorte (SHCS: Swiss HIV Cohort Study: www.shcs.ch) hat für HIV-Betroffene grosse Vorteile bei vergleichsweise geringem Aufwand: Ist man bei einem der nationalen Zentren in Behandlung, werden – sofern der Patient oder die Patientin zustimmt – die Daten zum Therapieverlauf der halbjährlichen Kontrolluntersuchung an die Kohorte weitergegeben. Einerseits hilft man so mit beim Aufbau einer weltweit einzigartigen Datenbank über den Langzeitverlauf der HIV-Infektion unter antiretroviraler Behandlung, andererseits bieten die Spezialisten der Kohorte eine optimale medizinische Langzeitbetreuung, denn sie wissen genau, auf was geachtet werden muss. Die regelmässigen Kon-sultationen geben vor allem älteren HIV-Patienten die für sie wichtige Sicherheit, dass alles unter Kontrolle ist und nichts unbemerkt aus dem Ruder läuft. Bei Abnahme der Wirksamkeit der Medikamente oder wenn unerwünschte Nebenwirkungen auftreten, kann rechtzeitig eine Anpassung der Therapie vorgenommen werden. Im Rahmen der Kohorte werden jeweils auch weitere medizinische Kontrollen sämtlicher Organe durchgeführt: Niere, Leber, Herz und weitere. Es ist hilfreich, sich alle Fragen vor der Konsultation gut zu überlegen oder schriftlich vorzubereiten.

Vertrauensverhältnis Arzt/Ärztin – Patient/Patientin

Der Patient ist kein unmündiger Befehlsempfänger, sondern ein vollwertiger Partner in einem gemeinsamen Unterfangen, das heisst es braucht eine Kooperation mit dem Arzt / der Ärztin auf Augenhöhe. Unter-suchungen und Ergebnisse sowie medizinische Massnahmen werden bei der Konsultation besprochen und Entscheide werden gemeinsam gefällt. Es gibt übrigens auch Hausärzte, die an der HIV-Kohorte angeschlossen sind.

Prophylaktische Untersuchungen

Da eine Grippeerkrankung für HIV-Positive möglicherweise schwere Folgen haben kann, sollte die jährliche Grippeimpfung im Spätherbst eine Selbstverständlichkeit sein. Im Rahmen der Kohorte werden prophylaktische Untersuchungen vorgeschlagen oder routinemässig durchgeführt: Blutdruck, Urinuntersuchungen, Blutzucker und weitere Blutwerte, Nieren- und Leberfunktion, Knochendichte (also ob ein Risiko auf Osteoporose besteht), letztere damit rechtzeitig mit einer Kalzium-Substitution und Vitamin-D-Therapie begonnen werden kann. Dieses Risiko besteht auch bei älteren Männern mit HIV, weshalb manche Ärzte die Messung des Testosteronspiegels empfehlen. Ein zu tiefer Wert hat nämlich Auswirkungen sowohl auf das psychische als auch auf das physische Wohlbefinden(zum Beispiel etwa die Knochendichte). Ab fünfzig Jahren ist auch eine Darmspiegelung (Koloskopie) im Rahmen der Darmkrebs-Vorsorge angezeigt; bei Frauen Brustuntersuchung und Mammographie und bei Männern die Untersuchung der Prostata. Weitere prophylaktische Untersuchungen und sinnvolle Vorbeugemassnahmen betreffen die Augen, die Zähne, Untersuchungen auf Hautkrebs und Herpes, die Lunge, das Herz-Kreislauf-System sowie den Genitalbereich. Neigung zu Depressionen, zu starken Gemütsschwankungen und Suizidgedanken sollten bei der Konsultation besprochen und die Möglichkeit einer Behandlung abgeklärt werden. Gerade hier bietet die Kohorte einen Mehrwert: Depressionen werden von den Betroffenen selten als solche erkannt. Die Befragung im Rahmen einer Untersuchung enthält Fragen, die die Chance auf eine korrekte Diagnose einer Depression erhöhen.

Gesund leben

Ein ganz wesentlicher Punkt ist, gesund zu leben: Kurz zusammengefasst heisst dies: wenig aber ausgewogen essen, insbesondere wenig Fett, dafür genug Vitamine, Spurenelemente und Ballaststoffe, regelmässig und genügend Flüssigkeit zu sich nehmen, nicht rauchen, mässig Alkohol konsumieren. Übergewicht sollte vermieden, allenfalls reduziert werden. Wichtig sind auch genügend Schlaf (ein Mittagsschlaf tut übrigens sehr gut) sowie genügend Bewegung (indem man beispielsweise einen Schrittzähler, also einen «Activity Tracker» beschafft, der eine tägliche Bilanz ermöglicht). Gerade bei Alkohol, Tabak, Übergewicht oder auch bei starken Gemütsschwankungen oder Neigung zu Depressionen haben Männer eher Mühe, zuzugeben, dass sie etwas nicht im Griff haben und Hilfe benötigen. Es mag zwar einiges an Überwindung kosten, aber es lohnt sich auf jeden Fall, dies mit dem HIV-Arzt oder dem Hausarzt zu besprechen und entsprechende Therapiemöglichkeiten abklären zu lassen. Weitere Massnahmen sind Zahnhygiene, Körperpflege und –Hygiene, Haut- und Fusspflege.

Die geistige Gesundheit und eine positive Lebenseinstellung spielen im Alter eine grosse Rolle. Dazu gehören eine stabile Beziehung oder gute Freundschaften ─ so ist immer jemand da, auf den man sich ver¬lassen kann, wenn es einem einmal nicht gut geht. Wichtig ist auch die Pflege seines sozialen Netzwerkes, sich mit andern Betroffenen zu vernetzen und auszutauschen, statt sich zu isolieren. Geistig aktiv bleibt man durch regelmässiges Gehirn- und Gedächtnistraining. Es lohnt sich auch, Hobbys zu pflegen oder sich neue Hobbys zuzulegen, seine Zeit und sein aktives Altern selbst zu planen und nicht von andern Personen bestimmen zu lassen. Hierzu gehört beispielsweise, sich jeden Tag etwas vornehmen und dann am Abend Bilanz erstellen, seine Selbstachtung nicht zu vernachlässigen, sondern sich so zu akzeptieren, wie man ist. Bei Depressionen oder Gemütsschwankungen sollte man sich nicht schämen, Hilfe zu suchen. Solche Beschwerden können behandelt werden. Der Hausarzt als Vertrauensperson kann hier den Kontakt zu einem Therapeuten vermitteln.

Viele der vorgeschlagenen Massnahmen gelten generell für ältere Menschen. HIV-Patienten sind jedoch vulnerabler und haben möglicherweise auch ein vermindertes Selbstwertgefühl, weshalb diese Punkte für ein gesichertes und soweit wie möglich beschwerdefreies Altern noch mehr Bedeutung haben. Die HIV-Infek¬tion bleibt auch unter funktionierender Behandlung eine Belastung, der Betroffene kann jedoch einiges zu seiner Lebensqualität beitragen, auch im Alter. Man kann sich mit Recht fragen, ob jemand glücklich ist weil es ihm/ihr gut geht, oder ob es nicht vielleicht umgekehrt ist, dass es ihm/ihr gut geht weil er/sie glücklich ist.

Die Schweizerische HIV-Kohortenstudie sucht Teilnehmende

Die Schweizerische HIV-Kohortenstudie will die Auswirkung der Alterung auf die HIV-Infektion erforschen und sucht dazu noch Teilnehmende für zwei Studien: HIV und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie HIV und Hirnleistung. Die Resultate werden helfen, ältere Patienten besser zu betreuen. Interessierte ab 45 Jahren wenden sich für mehr Informationen an ihren behandelnden Arzt oder die behandelnde Ärztin.