KVV – wir verlangen eine Revision der Revision!
01. Dezember 2022
Seit Juni 2022 war die Revision der Krankenversicherungsverordnung KVV in einer öffentlichen Vernehmlassung. Für uns ist die geplante Neuordnung der Einzelfallvergütung eine Mogelpackung, welche Betroffene in eine Notlage bringt. Gemeinsam mit vielen anderen Organisationen im Gesundheitsbereich verlangen wir, dass das zuständige Bundesamt BAG nochmals über die Bücher geht.
Worum geht es?
KVV Artikel 71a-d regelt den Zugang und die Vergütung von dringend nötigen Medikamenten, bevor in der Schweiz eine formelle Zulassung vorhanden oder ein Preis festgesetzt ist. Beispiel: die neue Generation der Hepatitis-C Therapien vor ein paar Jahren. In den USA und europäischen Nachbarländern waren die neuen Substanzen schon eine gute Weile zugelassen und auf dem Markt – im BAG aber wurden die Preisverhandlungen verschleppt. Wir haben damals ausführlich berichtet:
· Besserer Zugang zur Hepatitis-C Therapie? Zweifel sind angebracht
· Vosevi und Artikel 71 – Sanitas lässt Versicherte im Stich
· Hepatitis C: Versagt die Therapie, versagt auch das System
Zusammengefasst: Weil bundesamtlich verordnete Barrieren den Therapiezugang blockierten, mussten die verschreibenden Ärzte den komplizierten Umweg über Art 71 nehmen, damit die Patienten therapiert werden konnten. Je nach Krankenkasse wurden den Betroffenen die Kosten vergütet oder eben nicht. Einige importierten Generika aus Indien und bezahlten selbst.
Wir haben damals eine Revision des KVV Art 71 gefordert. Dessen Zweck wäre nämlich, Patienten in einer Notlage, mit einer schweren unheilbaren Erkrankung, Zugang zu den neusten Substanzen zu ermöglichen, falls diese bereits von einer anderen anerkannten Behörde bewilligt wurden. Eine andere anerkannte Behörde wäre die amerikanische FDA, oder die europäische EMA. Aus einer Vielzahl von Gründen, auf die wir hier nicht eingehen können, hat sich das eigentlich kluge Instrument Artikel 71 zu etwas ganz anderem entwickelt: Immer mehr Substanzen hängen im BAG in der Warteschlaufe, weil sich das Bundesamt und die Industrie nicht auf einen Preis einigen können. Besonders schwierig ist die Lage in der Onkologie, wo Preisverhandlungsprozesse zwei Jahre und noch länger dauern – eine unhaltbare Situation. Die schwerkranken Patienten werden zum Spielball des Systems.
Was uns mit der angedachten Revision aufgetischt wird, löst die Probleme nicht – im Gegenteil. Die bestehenden Probleme werden zementiert statt besser geregelt. Wir verlangen deshalb vom Bundesrat, dass die zuständige Behörde BAG nochmals über die Bücher geht. Gemeinsam mit vielen anderen Organisationen, darunter die Spitäler Schweiz und die FMH, aber auch anderen Patientenorganisationen, sind wir gerne bereit, an einer Lösung mitzuwirken.
David Haerry / Dezember 2022
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