Das System der Schweizerischen Krankenversicherung ist komplex und wirft vor allem bei Personen, die neu aus dem Ausland in die Schweiz ziehen, zahlreiche Fragen auf. Im folgenden sind die wichtigsten Punkte aufgeführt, die es zu berücksichtigen gilt.
Wer seinen Arbeitsort und/oder Wohnsitz in die Schweiz verlegt, muss sich innerhalb von drei Monaten bei einer Krankenkasse nach Krankenversicherungsgesetz (KVG) versichern lassen. Die Krankenkasse nach KVG (so genannte Grundversicherung) kann frei gewählt werden, und diese ist verpflichtet, alle Personen unabhängig von Alter und Gesundheitszustand ohne Einschränkungen zu versichern, also auch Menschen mit HIV. Die Krankenkasse darf nicht nach HIV oder anderen Diagnosen fragen und man muss diese vor Vertragsschluss auch nicht bekannt geben.
Andere Regeln gelten für die freiwilligen Zusatzversicherungen. Diese unterstehen dem privatrechtlichen Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (VVG). Bei der Aufnahme in Zusatzversicherungen dürfen die Versicherer Risikoprüfungen in Form von Gesundheitsfragen vornehmen. Menschen mit HIV wie auch mit anderen vorbestehenden Krankheiten und ältere Menschen werden nicht aufgenommen. Die Zusatzversicherungen bieten gewisse Vorteile wie z.B. Einzelzimmer bei Krankenhausaufenthalt, Beitrag ans Fitnessabo, etc. ABER: Alle in Zusammenhang mit der HIV-Infektion stehenden notwendigen Medikamente und Behandlungen werden von der obligatorischen Krankenversicherung übernommen. Insbesondere sind dies:
- Kosten für Diagnose und Behandlung von Krankheiten
- Medikamente, wenn sie ärztlich verschrieben und in der so genannten Spezialitätenliste des Bundesamts für Gesundheit aufgeführt sind
- Spitalaufenthalte in der allgemeinen Abteilung eines öffentlichen Akutspitals
- Spitalexterne Krankenpflege «Spitex» (wenn sie ärztlich verordnet ist)
- Pflegeheim (auch hier ist eine ärztliche Verordnung notwendig).
Selbstbeteiligung (Franchise, Selbstbehalt)
Entstehen Kosten für Arzt, Spital oder Medikamente, müssen die Versicherten zuerst selber gewisse Kosten übernehmen, einerseits im Rahmen der Franchise, andererseits im Rahmen des Selbstbehalts. Die ordentliche gesetzliche Franchise beträgt CHF 300 pro Kalenderjahr (Stand 2016), sie kann jedoch von den Versicherten freiwillig erhöht werden, damit sie in den Genuss von Prämienrabatten kommen. Eine Erhöhung der Franchise empfiehlt sich nicht, wenn jemand die antiretrovirale Therapie nimmt oder wenn regelmässig Laboruntersuchungen zur Überwachung des Verlaufs der HIV-Infektion gemacht werden.
Erst ab dem Zeitpunkt, in welchem die Krankheitskosten die Franchise übersteigen, beteiligt sich die Krankenkasse an den weiteren Kosten, abzüglich des Selbstbehalts. Der Selbstbehalt ist derjenige Betrag, den der Versicherte bei Leistungsbeanspruchung selbst tragen muss. Dies sind in der Regel 10% bis zu einem jährlichen Maximum von CHF 700. Pro Jahr muss man also max. CHF 1’000 plus die monatlichen Krankenkassenprämien selbst zahlen. Einen Überblick über die schweizerischen Krankenkassen (inkl. Prämienvergleich) verschafft www.priminfo.ch. Über die dort vorhandenen Links kann man bei den einzelnen Versicherungsgesellschaften online eine Offerte anfordern.
Zwei Vergütungsprinzipien
Bei einigen Krankenkassen müssen Medikamente zunächst selber bezahlt werden und dann die Quittung zur Rückforderung des Betrags an die Krankenkasse geschickt werden (sog. Tiers-Garant-Prinzip). Bei hohen Beträgen (z.B. HIV-Medikamenten) kann es für manche Leute schwierig sein, diese Kosten zu bevorschussen. Erkundigen Sie sich vor dem Abschluss bei der entsprechenden Krankenkasse, ob die Medikamente direkt zwischen Apotheke und Krankenversicherung abgerechnet werden können (sog. Tiers-Payant-Prinzip).
Verschiedene Modelle mit Sparmöglichkeiten
Neben der Versicherung mit ordentlicher Franchise und wählbaren Franchisen bieten die Krankenkassen verschiedene Modelle mit Sparmöglichkeiten an, z.B. das Hausarztmodell; hier muss vor dem Besuch eines Spezialisten (z.B. HIV-Spezialist) immer erst der Hausarzt aufgesucht werden. Wer als Hausarzt gilt, kann auf der Liste der entsprechenden Krankenkasse eingesehen werden. Beim HMO-Modell müssen Gesundheitszentren aufgesucht, beim Telmed-Modell zunächst Ärzte der Krankenkasse angerufen werden. Wer ein solches Modell in Erwägung zieht, sollte sich vor dem Abschluss bei der entsprechenden Krankenkasse erkundigen, was dies genau für die Behandlung der HIV-Infektion oder anderer bestehender chronischer Krankheiten bedeutet. Allenfalls ist auch eine Dauerüberweisung an einen HIV- oder anderen Spezialisten möglich.
Prämienverbilligung
Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen erhalten Beiträge zur Verbilligung der Prämien in der obligatorischen Krankenversicherung. Die bescheidenen finanziellen Verhältnisse bestimmen sich aufgrund der finanziellen, der persönlichen und der familiären Situation. Informationen hierzu erteilen die Wohngemeinden.
Weitere Informationen
- Arzneimitteltabelle mit den in der Schweiz erhältlichen HIV-Medikamenten (Stand 2014)
- Informationsbroschüre mit Basisinformationen über die HIV-Medikamente (Stand 2014)
- Überblick über die HIV-Behandlungszentren
- Rechtsratgeber HIV zur Krankenversicherung und weiteren rechtlichen Themen
Kostenlose Rechtsberatung
Für rechtliche Fragen in Zusammenhang mit HIV steht das Rechtsberatungsteam der Aids-Hilfe Schweiz telefonisch und schriftlich am Dienstag und Donnerstag von 9-12h und 14-16h kostenlos zur Verfügung, unter Tel. 044 447 11 11 oder E-Mail recht@aids.ch.
Merkblatt Einreise und Aufenthalt in der Schweiz
Caroline Suter, Aids-Hilfe Schweiz / November 2016