Die Verwendung gesundheitsbezogener Daten in der Forschung setzt die Information und das Einverständnis der Patienten voraus. Schweizer Spitäler fragen ihre Patienten regelmässig, ihre Daten und Blutproben für die Forschung zur Verfügung zu stellen. Damit diese Einwilligungserklärungen nicht in jedem Spital anders aussehen, haben die Schweizer Ethikkommissionen einen neuen sogenannten Generalkonsent entwickelt. Um diesen ist nun eine Kontroverse entbrannt.

Wer in der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie mitmacht kennt das Prozedere: Beim Eintritt in die Studie wird der Patient informiert und aufgeklärt, worum es geht und weshalb das Mitmachen wichtig ist. Patienten die schon lange dabei sind, haben die grosse Verbesserung der Behandlungsqualität selbst erfahren. Die in der Kohorte gesammelten Daten haben wesentlich dazu beigetragen.

Das neue Humanforschungsgesetz lässt unter bestimmten Voraussetzungen einen sogenannten Generalkonsent zu, mit dem Personen in die Verwendung ihrer Daten und Proben für künftige Forschungsprojekte einwilligen können. Dies erleichtert die Forschungszusammenarbeit in der Schweiz. Wichtig ist der Generalkonsent vor allem für chronisch kranke Personen. Beim Generalkonsent geht es nicht um eine spezielle Erkrankung. Das Ziel ist aber dasselbe wie in der HIV-Kohortenstudie: Je besser man die Patienten kennt, desto besser und gezielter sind auch Therapie und Betreuung. Das Interesse der Spitäler ist also kein Egoismus – die gewonnenen Erkenntnisse sollen den Patienten etwas nützen.

Nach einer etwas aufgeregten Pressemitteilung der Stiftung SPO Patientenschutz im Februar 2017 berichtete der Schweizerische Beobachter in seiner Ausgabe vom 3. März von der Kontroverse. Die selbsternannten Patientenschützer kritisieren, dass von den Patienten eine Einwilligung zur Verwendung ihrer Daten verlangt wird ohne dass diese ausreichend wüssten, was genau mit den Daten gemacht wird. Ein zusätzliches Problem sei die mangelhafte Aufsicht über die Biobanken in der Schweiz. Weiter wird kritisiert, dass man bei genetischen Analysen die Spender mithilfe von Dr. Google einfach identifizieren könne.

Wir finden, die Kritik der SPO sei etwas starker Tobak. Wenn wir ein Flugzeug besteigen, haben wir auch keine Möglichkeit persönlich zu überprüfen, wie sicher dieses ist. Die SPO wurde zusammen mit anderen Auserwählten bereits im Herbst 2016 von Swissethics begrüsst und in den Prozess eingebunden. Dies zu verschweigen ist zumindest eigenartig. Natürlich muss man die Aufsicht über Biobanken verbessern. Natürlich muss die Anonymität der Patienten gewährleistet sein. Auch ist uns bewusst, dass viele Schweizer Spitäler im Bereich der Datensicherheit nachlegen müssen. Aber alle diese Probleme über dem Generalkonsent zu entleeren, nachdem man selber konsultiert wurde, ist schwer nachvollziehbar. Zudem hat die SPO unseres Wissens vor ihrer Intervention keine Patienten befragt. Wir betrachten dieses Vorgehen als bevormundend.

Der geplante Generalkonsent ist nicht perfekt. Wir hoffen, die eben geschlossene Vernehmlassung führe zu einigen Verbesserungen. Aus unserer Sicht hat die Vorlage vor allem einen schweren Mangel. Wenn wir es richtig verstehen, geht dieser auf das Konto genau dieser bereits erwähnten „Patientenorganisationen“. Patienten müssten nämlich künftig ausdrücklich ihr Einverständnis geben, wenn ihre Daten zu Forschungszwecken verwendet werden sollen (sogenanntes opt-in Prinzip). Umgekehrt wäre einfacher und sinnvoller: Wer nicht will, soll dies sagen (opt-out Prinzip). Wer medizinische Angebote beansprucht, darf der Allgemeinheit auch etwas zurückgeben – nämlich seine Daten. Man nennt das Solidarität, und diese funktioniert nicht als Einwegprinzip. Es macht keinen Sinn, wenn der Generalkonsent Hürden aufstellt, welche über das Heilmittelgesetz hinausgehen.  

Wo die Entwicklung international hingeht, zeigt das schwedische Swedeheart Netzwerk. Hier werden alle Patienten welche in Schweden einen Herzinfarkt erlitten haben automatisch aufgenommen. Das Register liefert dem Gesundheitssystem eine Fülle kostbarer Informationen, welche der Allgemeinheit zugutekommen. Nach einem Herzinfarkt müsste man also in der Schweiz künftig den Generalkonsent unterschreiben? Für viele Patienten ist das zu spät. Mit der jetzigen Vorlage schiesst man der akademischen Forschung ins Bein und leistet der Gesellschaft einen Bärendienst.

Und eigentlich möchten wir noch weiter gehen. Unsere Biodaten gehören uns Patienten. Wir Patienten sind nicht bloss Datenspender – wir wären gerne am Steuer und möchten die Daten selber verwalten. Forscher von der ETH Zürich haben dafür ein interessantes Modell entwickelt. Bei der Datenkooperative MIDATA entscheiden die Genossenschafter darüber, was mit den Daten geschieht und wohin ein finanzieller Überschuss nach Abzug der Kosten für den Unterhalt der Plattform fliessen soll1. In erster Linie könnte man damit Forschungsprojekte finanzieren.

Wir hoffen auf Anpassungen im Generalkonsent und freuen uns auf eine interessante Debatte, auch über selbstverwaltete Datenbanken.

 

David Haerry / März 2017

 

Die Vorlage Generalkonsent Schweiz besteht aus einer Kurzfassung (inkl. Einwilligung) und einer Begleitinformation (Broschüre). In der Kurzfassung werden die zentralen Punkte erwähnt, sie enthält die für Patienten hinreichende Information. Die Begleitbroschüre enthält ergänzende Ausführungen dazu und soll entweder in Papierform abgegeben werden und/oder online zugänglich sein. Weitere Dokumente (Reglement der Biobank etc.) müssen online zur Verfügung stehen.
Für Kinder und Jugendliche und deren Eltern werden zu einem späteren Zeitpunkt spezifische Vorlagen bereitgestellt.

 

So handhabt die Schweizerische HIV-Kohortenstudie den Datenschutz

  • Die Daten werden zwischen den Zentren gesichert übermittelt. Die Zusammenarbeit der Zentren ist genau geregelt.
  • Alle Teilnehmer sind über eine 5-stellige Zahl anonymisiert
  • Nur Dokumente mit der Identifikationsnummer verlassen eine Klinik. Ein Name steht nie drauf.
  • Nur der behandelnde Arzt oder das behandelnde Spital kennt die Nummer und den Patienten.
  • Papierdokumente werden in gesicherten Behältern ans Datenzentrum übermittelt
  • Im Datenzentrum werden die Daten verarbeitet und mit den beteiligten Institutionen einmal pro Monat über einen gesicherten Server übermittelt.
  • Heikle persönliche Informationen wie Geburtsdatum und Nationalität werden unterdrückt.
  • Bei internationalen Kollaborationen entscheidet der wissenschaftliche Vorstand der SHCS. Die Projekte müssen durch die bestehende Einverständniserklärung abgedeckt sein. Daten werden in einem standardisierten Format über einen gesicherten Server übermittelt.

 

Midata.coop