Der europäische Leberkongress ging mit mehr als 10’000 Teilnehmern vom 11. bis 15. April in Paris über die Bühne. Neue Hepatitis-C Medikamente gibt es nicht mehr, aber es wurden sehr viele Studien vorgestellt, welche zeigen, dass es auf dem Gebiet noch immer viel zu lernen gibt. Schwerpunkte waren das Auffinden von Menschen mit chronischer Hepatitis C, das Einleiten einer Behandlung, das bessere Einstellen der Therapie sowie Daten aus Kohorten und verschiedenen Patientengruppen. Die neuen Daten helfen uns, die Hepatitis C noch besser zu verstehen und genauer zu therapieren. Die europäische Lebergesellschaft hat ihre Therapierichtlinien aktualisiert und es gibt erste Berichte aus Ländern, welche an einer Eliminierung von Hepatitis C arbeiten.


Da jetzt zwei pan-genotypisch wirksame Kombinationstherapien zur Verfügung stehen1, erübrigt sich künftig wohl die Bestimmung des Genotypen vor Therapiebeginn. Besonders interessant waren Daten aus Schottland, welche zeigen, dass Sofosbovir/Velpatasvir bei Patienten mit Genotyp 3 innert bereits 8 statt 12 Wochen wirksam ist, sofern keine Zirrhose vorhanden ist. Damit kann Schottland rascher zusätzliche Patienten heilen2. In der schottischen Studie waren auch substituierte Patienten miteingeschlossen. Die Patienten, welche noch immer Drogen konsumierten oder erst gerade auf Methadon umgestellt wurden, bekamen die Therapie täglich unter Überwachung, die stabileren zwei- bis dreimal pro Woche oder wöchentlich. Alle Patienten erreichten eine Heilung in der mITT-Analyse 12 Wochen nach Therapieende. Das ist ein sehr eindrückliches Resultat. Zugleich sehen wir, dass eine 8-wöchige Therapie bei Patienten mit Adhärenzproblemen einfacher einzuhalten ist.


Auch mit Elbasvir/Grazoprevir (EBR/GZR) können Patienten mit Genotyp 4 und ohne Zirrhose innert 8 Wochen geheilt werden3. Diese Studie ist noch nicht ganz abgeschlossen, doch von den Patienten von denen bereits SVR-12 Daten vorliegen, wurden 93% geheilt. Laut den neusten EASL Therapierichtlinien gilt eine Empfehlung für 8 Wochen EBR/GZR bereits für therapienaive Patienten mit Genotyp 1b bei Fibrosestatus F0-F2.


Beeinflussen Alkohol- oder Cannabiskonsum die Heilungsraten?

Menschen, welche Drogen konsumieren, sind sehr häufig von einer Hepatitis C betroffen. Will man die WHO-Eliminationsziele bis 2030 erreichen, muss die Therapie in dieser Patientengruppe funktionieren. Das deutsche Hepatitis C Register untersuchte, ob Alkohol- oder Cannabiskonsum einen Einfluss auf die Heilungsraten hat4. Vereinfachend kann man sagen, dass hohe Heilungsraten (SVR12) sowohl bei substituierten wie auch bei nicht substituierten Patienten möglich sind. Alkohol- und Cannabiskonsum haben keinen Einfluss. Hingegen ist der sogenannte «loss-to-follow-up» LTFU – die Zahl der Patienten, die vorzeitig aus der Beobachtung fallen – bei aktiven und ehemaligen Drogenkonsumenten höher als bei Patienten ohne Drogengeschichte oder mit hohem Alkoholkonsum. Der Kontakt zu den Patienten verliert sich aber meist nach Therapieende, sie sind also sehr wahrscheinlich geheilt.


Zweitbehandlung nach Therapieversagen

Es passiert selten, dass die neuen Hepatitis C Therapien nicht erfolgreich sind, aber für die 1-5% der Betroffenen ist die Situation schwierig. Zweitbehandlungen sind kompliziert, vor allem wenn sich Resistenzen gebildet haben. Die Magellan-3 Studie untersuchte Patienten mit Therapieversagen unter Glecaprevir/Pibrentasvir5. Patienten ohne Genotyp 3, ohne Zirrhose und welche bei Therapiebeginn keine Vorgeschichte mit NS3/4A Proteaseinhibitoren oder NS5A-Inhibitoren hatten, bekamen eine Therapie von 12 Wochen, alle anderen von 16 Wochen. Glecaprevir/Pibrentasvir wurde wiederholt, aber zusätzlich wurden noch Sofosbuvir und Ribavirin eingesetzt. Nur ein Patient erreichte das Therapieziel wieder nicht. Es bestätigt sich damit, dass eine Dreifachtherapie in diesen Fällen wirksam ist.


Wie geht es Patienten, welche bereits eine Leberzirrhose gebildet haben, nach einer Heilung mit Sofosbuvir?

In den letzten Jahren wurden viele Patienten mit einer bereits weit fortgeschrittenen Lebererkrankung geheilt. Wie sich die Heilung der Hepatitis C auf andere bestehende, zum Beispiel kardiovaskuläre Erkrankungen auswirkt, ist darum eine wichtige Forschungsfrage. Die RESIST HCV Kohorte aus Sizilien präsentierte dazu Daten6. Insgesamt starben die geheilten Patienten deutlich weniger häufig an kardiovaskulären Erkrankungen. Geheilte Patienten waren insgesamt gesünder als nicht geheilte, sogenannte «Non-responder». Geheilte Patienten mit einer CHILD A Zirrhose hatten weniger Leberprobleme und bessere Überlebenschancen als nicht geheilte. Patienten mit einer CHILD B Zirrhose haben auch nach einer Heilung der Hepatitis ein erhöhtes Risiko, Leberkrebs oder eine dekompensierende Leber zu entwickeln und daran zu sterben.


Sind Eliminationsstrategien realistisch?

Die Frage tauchte an der EASL in mehreren Präsentationen auf. Gut identifizierte Patientengruppen wie Bluter und Koinfizierte sind ideal, um eine weitgehende Elimination zu erreichen. Auch eignen sich Länder mit kleiner Einwohnerzahl oder wenigen Betroffenen als Pilotprojekte. Neue Daten gab es an der EASL aus Island – Einwohnerzahl 330’000 mit geschätzten 800 bis 1’000 Hepatitis C Patienten7. 80% der Patienten sind diagnostiziert, und das Therapieprogramm wurde Anfang 2016 eingeleitet. Die Heilungsraten betrugen zwischen 90 und 94%. Die Hepatitis C Prävalenz unter Drogenkonsumenten sank von 42.6% im Jahr 2015 auf 11.6% in 2017, was einer Senkung von 73% entspricht. Das Programm ist nicht abgeschlossen, aber gut unterwegs.


Auch aus dem viel grösseren Programm in Georgien wurden in Paris Daten präsentiert8. Bei einer Einwohnerzahl von 3,7 Millionen hat Georgien schätzungsweise 150’000 Menschen mit einer Hepatitis C, was einer hohen Prävalenz von 5,4% entspricht. In einer Vereinbarung mit der Regierung hat sich Gilead verpflichtet, die Medikamente gratis zu liefern. Um die Eliminationsziele zu erreichen, hat sich das georgische Gesundheitssystem von internationalen Partnern beraten lassen. Ziel ist, die Prävalenz bis 2020 um 90% auf 0.5% zu senken. Drei Jahre nach Projektbeginn sieht die Kaskade wie folgt aus:

 


Zusammenfassend kann man sagen, dass in Georgien die gesetzten Erwartungen übertroffen wurden, obwohl nicht die allerneusten Medikamente zur Verfügung standen. Verstärkt werden müssen Bemühungen rund um Test und Diagnose.


Wir meinen, was in Georgien möglich ist, sollte in der reichen Schweiz billig sein. Siehe dazu die Kurzmeldungen über eine verunglückte Sendung PULS im Schweizer Fernsehen.

 

David Haerry, Mai 2018

 

1Sofosbuvir/Velpatasvir (Epclusa®) und Glecaprevir/Pibrentasvir (Maviret®)


2Boyle A, et al. 8 weeks sofosbuvir/velpatasvir in genotype 3 patients with significant fibrosis: Highly effective amongst an OST cohort. 53rd EASL; Abstract PS034

3Asselah T, et al. Efficacy and safety of 8 weeks of elbasvir/grazoprevir in HCV GT4-infected treatment-naïve participants. 53rd EASL; Abstract GS006

4Christiansen S, et al. Scaling up HCV-DAA treatment in patients on opioid substitution therapy – does alcohol or cannabis consumption diminish cure rates? Data from the German Hepatitis C Registry (DHC-R). 53rd EASL; Abstract PS036

5Wyles D, et al. Retreatment of patients who failed glecaprevir/pibrentasvir treatment for hepatitis C virus infection. 53rd EASL; Abstract PS040

6Calvaruso V, et al. Disease outcomes after DAA-induced SVR: data from the resist-HCV cohort. 53rd EASL; Abstract PS149

7Tyrfingsson T, et al. Marked reduction in prevalence of hepatitis C viremia among people who inject drugs (PWID) during 2nd year of the Treatment as Prevention (TraPHepC) program in Iceland. 53rd EASL; Abstract PS095

8Tsertsvadze T, et al. Hepatitis C Care Cascade in the Country of Georgia After 3 years of Starting National Hepatitis C Elimination Program. 53rd EASL; Abstract PS096