Richards Doppelinfektion mit HIV und Syphilis hat nicht nur sein Leben, sondern auch seine Einstellung dazu komplett verändert. Seine bereits ins dritte Stadium fortgeschrittene Syphilis-Erkrankung konnte zwar geheilt werden, verursachte aber zuvor Schädigungen am Gehirn.

Bis vor Kurzem fühlte sich Richard* noch kerngesund. Und da er nie krank war, hatte der selbständige Geschäftsmann nicht mal einen festen Hausarzt. Im Sommer 2006 machten sich dann aber erste Symptome zweier Infektionen bemerkbar, die Richard von da an sein Leben lang beschäftigen sollten. Angefangen hatte alles mit einer vermeintlichen Erkältung, gefolgt von einer weiteren, von der sich Richard aber nicht mehr richtig erholte. „Ich war darauf permanent erschöpft und verlor merklich an Gewicht“, erinnert er sich. „Als dann auch noch meine linke Hand andauernd zitterte, war ich überzeugt, dass etwas mit meinem Körper nicht mehr stimmte und kriegte Angst.“ Richard gingen alle möglichen Krankheiten, die er haben könnte, durch den Kopf – nur nicht jene, die später diagnostiziert wurden: HIV und Syphilis im fortgeschrittenen Stadium.

Syphilis griff Hirn an
Der Arzt, der die Diagnose stellte, meldete Richard unmittelbar zu einem ambulanten neurologischen Untersuch im Spital an. Doch Richards Gesundheitszustand war so ernst, dass er das Spital vorerst nicht mehr verlassen konnte. Denn die bereits ins dritte Stadium fortgeschrittene Syphilis hatte eine Hirnhautentzündung verursacht und das HI-Virus einen Grossteil seiner CD4-Zellen, die helfen Infekte abzuwehren, zerstört.

Penizillin, Kortison, Insulin, Virostatika – die Behandlung von Richards HIV- und Syphilis-Ko-Infektion und deren Folgen kam einer Rosskur gleich. „Wäre ich gestorben, hätte man mich als Sondermüll entsorgen müssen“, scherzt Richard, der trotz möglicherweise bleibenden Hirnschäden seinen Humor nicht verloren hat.

Richard erinnert sich nur ungern an die Zeit, als er nicht nachvollziehen konnte, was mit seinem Körper passierte. „Einem Gespräch zuzuhören war mir damals unmöglich. Denn es schien mir, als hörte ich mit einem Ohr schneller als mit dem anderen und dies verursachte ein totales Chaos in meinem Kopf.“ Die Hirnhautentzündung zog auch den Sehsinn in Mitleidenschaft. Um etwas scharf sehen zu können, musste er ein Auge schliessen. Doch Augen und Ohren waren intakt, sein Gehirn jedoch nicht mehr, was immer wieder seine Konzentrationsfähigkeit ausser Gefecht setzte und seine Motorik auf der linken Seite nicht mehr funktionieren liess.

Positiv HIV-positiv
Als er nach mehreren Wochen aus dem Spital entlassen wurde, schaffte es Richard kaum, die zwei Treppen zu seiner Wohnung zu bewältigen. Nachdem er die Stufen in den folgenden Wochen und Monaten unzählige Male hinauf und hinunter gestiegen ist, um seine Muskulatur wieder aufzubauen, gelangt er heute wieder ohne grosse Mühe in seine Wohnung. Doch auch ein Jahr nach dem Spitalaufenthalt vergeht fast kein Tag, an dem er nicht infolge seiner Einschränkungen in Beweglichkeit, Feinmotorik und Konzentration an Grenzen stösst. „Es gibt schon immer wieder mal Momente, bei denen ich mich frage: Bin ich jetzt nur noch unnötiger Ballast?“ erzählt Richard. Doch dies komme glücklicherweise nicht oft vor, denn eigentlich liege es ihm fern, mit dem Schicksal zu hadern. „Trotz geteilter Meinung der Ärzte gebe ich nach wie vor die Hoffnung nicht auf, dass ich irgendwann wieder ganz auf die Beine kommen werde“, sagt der Selbstständigerwerbende, der immer noch arbeitsunfähig ist.

Zuversicht und Kraft, um weiter zu kämpfen, findet Richard in der Meditation und in der Beziehung mit seinem langjährigen Partner. „Ich bin so unsagbar froh, dass ich ihn nicht mit HIV angesteckt habe. Ich bin mir nicht sicher, ob ich damit fertig geworden wäre. Denn in meinem Leben ist er der Glücksfall schlechthin.“ Schöne, aber alltägliche Erlebnisse erfreuen Richard heute viel mehr als früher: „Wenn ich bei schönem Wetter die Sonne auf meiner Haut spüre und merke, dass ich noch am Leben bin, dann ruft das in mir manchmal ein starkes Gefühl von Glück und Dankbarkeit hervor.“

Die Folgen seiner Ko-Infektion haben Richard nicht nur körperlich verändert, sondern auch seine Wertvorstellungen. „Mir ist bewusst geworden, dass viele automatische körperliche Abläufe gar nicht so automatisch und selbstverständlich sind. Ich schätze deshalb all die Dinge, die ich trotz meinen Defiziten tun kann und erfreue mich über jeden noch so winzigen Fortschritt.“

*Name von der Redaktion geändert  

Text: Markus Fleischli, Bild: photocase.com

 

POSITIV 2/2011 © Aids-Hilfe Schweiz