HIV: Neue Wege in Prävention und Therapie – die wichtigsten Erkenntnisse von der IAS 2025

Die internationale HIV-Konferenz IAS 2025 in Kigali hat gezeigt: Die Forschung kommt mit grossen Schritten voran. Im Mittelpunkt standen nicht nur neue Medikamente und Behandlungsstrategien, sondern auch Fragen des Alltags mit HIV – von Therapietreue bis hin zu Gewichtszunahme. Diese fünf Themen sorgten für besondere Aufmerksamkeit.

Eine Tablette im Monat: einfacher Schutz mit grosser Wirkung

Bisher erfordert die HIV-Prävention mit der PrEP viel Disziplin: Entweder muss man täglich Tabletten einnehmen oder alle zwei Monate eine Spritze erhalten. Für viele ist das eine Hürde – sei es aus praktischen Gründen oder aus Angst vor Stigmatisierung.

Das neue Medikament MK-8527 könnte dies ändern. In einer Studie mit 350 Teilnehmenden aus Israel, Südafrika und den USA genügte es, die Tablette einmal im Monat zu schlucken. Während der Studie wurde bei keiner Person eine HIV-Übertragung festgestellt, Nebenwirkungen waren mild und vergleichbar mit Placebo. Besonders wichtig: Die Schutzwirkung setzte bereits nach wenigen Stunden ein. Bemerkenswert ist, dass 58% der Teilnehmenden Frauen waren. Das ist besonders wichtig, da die bisherige orale PrEP für Frauen meist weniger geeignet war. Ein monatliches Präparat wie MK-8527 könnte hier einen entscheidenden Fortschritt bringen.

Nun folgen gross angelegte internationale Studien mit fast 9.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf mehreren Kontinenten. Sollte sich die Wirksamkeit bestätigen, könnte Prävention so einfach werden wie 12 Tabletten im Jahr – ein Meilenstein, der den weltweiten Zugang erheblich erleichtern würde.

Therapie einmal pro Woche: Ulonivirin macht Hoffnung

Auch in der Behandlung tut sich etwas. Viele Menschen empfinden die tägliche Medikamenteneinnahme als Belastung – über Jahre hinweg kann das ermüdend sein.

Das experimentelle Mittel Ulonivirin gehört zur Gruppe der sogenannten NNRTI (nicht-nukleosidische Reverse-Transkriptase-Hemmer), zu der auch Efavirenz oder Rilpivirin zählen. In einer aktuellen Studie wurde Ulonivirin in Kombination mit Islatravir getestet – mit dem Ziel, die Einnahme auf nur einmal pro Woche zu reduzieren.

Die ersten Ergebnisse sind ermutigend: Das Virus blieb unter Kontrolle, die Nebenwirkungen waren überschaubar. In früheren Versuchen führte allerdings eine zu hohe Dosis von Islatravir zu einem Rückgang bestimmter Immunzellen. Mittlerweile wird mit niedrigeren Dosierungen weitergeforscht. Sollte sich das Konzept bewähren, könnte die wöchentliche Einnahme einer Tablette für viele Menschen ein enormer Gewinn an Lebensqualität sein.

Gewichtszunahme: die Medikamente sind nicht immer schuld

Seit Jahren gibt es Diskussionen, ob HIV-Medikamente eine Gewichtszunahme verursachen. Zwei grosse Studien brachten nun Klarheit – und relativieren diesen Verdacht. Die Ursachen liegen meist nicht in den Tabletten selbst, sondern bei Alter, Geschlecht, Lebensstil und sozialen Faktoren.

In einer klinischen Studie (DO-IT-Trial) testeten Forschende, ob ein Wechsel von Medikamenten, die im Verdacht stehen, Gewichtszunahme zu begünstigen (etwa Integrasehemmer oder TAF), auf andere Präparate wie TDF oder Doravirin beim Abnehmen hilft. Nach 48 Wochen hatten zwar alle Teilnehmenden etwas Gewicht verloren – doch unabhängig davon, welche Medikamente sie erhielten. Offenbar spielten andere Faktoren eine grössere Rolle, etwa Veränderungen in Ernährung oder Bewegung, die Teilnehmende aus eigenem Antrieb vorgenommen hatten.

Noch deutlicher wurde dies in einer grossangelegten Analyse mit fast 10’500 Menschen mit HIV in den USA. Dort zeigte sich: Eine deutliche Gewichtszunahme (über 10%) trat besonders häufig bei jüngeren Menschen, Frauen – vor allem schwarzen Frauen – sowie Personen mit niedrigen CD4-Werten zu Beginn der Therapie auf. Die aktuelle Medikamentenkombination war dagegen kaum ausschlaggebend.

Fachleute ziehen daraus einen klaren Schluss: Gewichtszunahme sollte nicht vorschnell den Medikamenten zugeschrieben werden. Wichtiger sind Fragen nach Ernährung, Bewegung, Stress oder dem Zugang zu gesunden Lebensmitteln. Kliniken und Praxen sollten daher nicht nur einen Therapiewechsel in Betracht ziehen, sondern auch Programme zur Lebensstilberatung anbieten – von Ernährungsworkshops bis zu Bewegungsangeboten.

Weniger Tabletten pro Woche? Nur im Notfall

Für Diskussion sorgte die Frage, ob eine Therapie auch mit weniger als 7 Tabletten pro Woche wirksam sein kann – etwa an 5 Tagen, mit 2 Tagen Pause.

Eine Auswertung von 8 Studien mit mehr als 1’300 Teilnehmenden zeigte: Bei Menschen, die bereits seit Langem stabil behandelt wurden und regelmässig untersucht werden, funktionierte dieser Rhythmus ähnlich gut wie die tägliche Einnahme. Stieg die Viruslast, konnte sie mit der Rückkehr zur Standardtherapie schnell wieder gesenkt werden.

Doch die Einschränkungen sind klar: Für Neupatienten ist diese Methode riskant, und eine grosse Studie mit Jugendlichen zeigte langfristig schlechtere Ergebnisse. Deshalb gilt: Das ist keine neue Standardtherapie, sondern höchstens eine Krisenlösung, wenn es zu Engpässen bei Medikamenten kommt.

Hoffnung auf funktionelle Heilung: Antikörper und Immun-Booster

Besonders spannend waren neue Ansätze zur Frage, ob man HIV eines Tages auch ohne tägliche Medikamente in Schach halten kann.

In einer kleinen Studie erhielten 28 Menschen mit HIV eine Kombination aus zwei breit neutralisierenden Antikörpern und dem Immunstimulator N-803. Nach Absetzen der Therapie blieb das Virus bei vielen Teilnehmenden monatelang unter Kontrolle: Nach sechs Monaten brauchten 58 Prozent keine Medikamente, bei einem Drittel hielt die Wirkung über ein Jahr an. Eine Person lebt inzwischen seit mehr als 30 Monaten ohne Therapie.

Die Kombination wirkt doppelt: Die Antikörper blockieren stabile Bereiche des Virus, während N-803 das Immunsystem aktiviert und infizierte Zellen bekämpft. Nebenwirkungen waren grösstenteils mild. Zwar kehrte bei einigen das Virus zurück und zeigte Resistenzen, doch Fachleute sehen darin einen wichtigen Schritt Richtung funktionelle Heilung – also einer Situation, in der das Virus auch ohne dauerhafte Medikamente unter Kontrolle bleibt.

Die IAS 2025 hat gezeigt: Die Forschung bringt immer neue, oft einfachere Möglichkeiten in der Prävention und Behandlung von HIV hervor – von Monats-Tabletten über wöchentliche Therapien bis hin zu Ansätzen, die zeitweise ganz ohne Medikamente auskommen. Doch Fachleute betonen: Neue Medikamente allein reichen nicht – wichtig ist auch, dass sie bei den Menschen im Alltag ankommen.

Alex Schneider / August 2025

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