Highlights der CROI 2024
Im März fand die Konferenz zu Retroviren und opportunistischen Infektionen CROI 2024 in Denver USA statt. Wissenschaftler:innen präsentierten viele interessante Studien zu neuen und bestehenden Medikamenten zur Behandlung von HIV. Nachfolgend sind die interessantesten Studienansätze aufgeführt.
CARES: Erste Studie zur HIV-Injektionstherapie in Afrika
Die langwirksame HIV-Injektionstherapie (Cabotegravir/Rilpivirin) in der CARES-Studie hat sich als ebenso wirksam wie die Standard-Oraltherapie zur Aufrechterhaltung der viralen Suppression erwiesen. In Afrika kommen Risikofaktoren für virologisches Versagen dieser Therapie häufig vor. Dazu gehören eine Resistenz gegen Rilpivirin, der Subtyp-A1-Virus und Fettleibigkeit. Dies hat die Einführung der HIV-Injektionstherapie in Afrika bisher verhindert. CARES ist die erste „Real-World“-Studie in Afrika.
Die Studie umfasste 512 Teilnehmende von denen einige die Injektionen und andere Tabletten erhielten. Mehr als die Hälfte der Teilnehmendem hatten den Virustyp A1, und 10 % hatten eine Resistenz gegen Rilpivirin, was Risikofaktoren für virologisches Versagen darstellen. Trotzdem konnten 96,9 % der Patienten in der Injektionsgruppe und 97,3 % in der Standardbehandlungsgruppe in Woche 48 eine unterdrückte Viruslast beibehalten.
Wie die Studiendaten zeigten, wurden sowohl kumulatives virologisches Versagen als auch erworbene Resistenzen selten beobachtet, was die HIV-Injektionstherapie auch bei Personen mit Resistenzen gegen Rilpivirin und den A1-Virustyp wirksam macht. Dies deutet darauf hin, dass langwirksame Injektionen eine praktikable Option für HIV-Behandlungsprogramme in Afrika sein könnten, insbesondere für solche, die einen Ansatz des öffentlichen Gesundheitswesens mit seltener Überwachung der Viruslast verfolgen und bei denen Rilpivirin-Resistenz, der A1-Virustyp und Fettleibigkeit häufig vorkommen.
LA-CAB/RPV bestätigt Wirksamkeit bei Menschen mit nicht unterdrücktem HIV
Eine von Matthew D. Hickey geleitete Studie bewertete die Wirksamkeit von langwirksamem, injizierbarem Cabotegravir/Rilpivirin (LA-CAB/RPV) bei Menschen mit HIV, die die Behandlung mit nicht unterdrückten Viruslasten begannen. Die retrospektive Kohortenstudie wurde in einer öffentlichen HIV-Klinik in San Francisco durchgeführt und umfasste 286 Teilnehmende mit anfänglichen Viruslasten von ≥250 Kopien/ml, die bis Dezember 2022 mit der LA-CAB/RPV-Behandlung begonnen hatten. Die primären Ergebnisse konzentrierten sich darauf, eine Unterdrückung der Viruslast (<50 Kopien/ml) nach 48 Wochen zu erreichen und aufrechtzuerhalten.
Die Ergebnisse zeigten, dass 93 % der 59 Teilnehmenden mit anfänglichen Viruslasten von ≥250 Kopien/ml nach 48 Wochen eine Viruslast-Suppression (<50 Kopien/ml) erreichten, wobei 81 % die LA-CAB/RPV-Behandlung fortsetzten. Zusätzlich erreichten 95 % Viruslasten von <200 Kopien/ml. Virologisches Versagen trat bei 5 % der Teilnehmenden auf, wobei sich bei drei Personen Resistenzen entwickelten. Bis zur 48. Woche wechselten 32 % zu achtwöchigen Dosierungsintervallen, während 29 % und 14 % Injektionsverzögerungen von über 7 bzw. 14 Tagen hatten.
Die Studie kam zu dem Schluss, dass LA-CAB/RPV vielversprechende langfristige Virussuppression bei Menschen mit HIV zeigt, die mit nicht unterdrückten Viruslasten beginnen, und unterstreicht das Potenzial als wichtiges Instrument zur Verbesserung der Behandlungsadhärenz und -ergebnisse, insbesondere für diejenigen mit Adhärenzproblemen.
Langwirksame orale Therapie
Studienergebnisse haben gezeigt, dass die einmal wöchentliche Einnahme von Lenacapavir und Islatravir HIV genauso effektiv unterdrücken kann wie tägliche Tabletten. Lenacapavir, entwickelt von Gilead Sciences, ist der erste HIV-Kapsidinhibitor, und Islatravir, entwickelt von Merck, ist der erste nukleosidische Translokationsinhibitor der reversen Transkriptase. Die Studie umfasste 104 Personen mit HIV. Eine Gruppe nahm täglich Biktarvy (Bictegravir/Tenofovir Alafenamid/Emtricitabin), während die zweite Gruppe wöchentlich Lenacapavir/Islatravir einnahm. Nach 24 Wochen hatten beide Gruppen das gleiche Niveau der Virussuppression (94,2 %).
Zwei weitere antiretrovirale Medikamente, die einmal wöchentlich oral eingenommen werden können, haben die Phase-I-Studien abgeschlossen. MK-8527, ein neuer nukleosidischer Translokationsinhibitor der reversen Transkriptase von Merck, wird als wöchentliche Behandlungs- und Präventionsoption für HIV entwickelt. GS-1720 von Gilead Sciences ist ein Integrase-Inhibitor, der einmal wöchentlich oral eingenommen wird.
Gewichtszunahme während der Menopause beim Wechsel zu einem Integrase-Inhibitor
Eine retrospektive Kohortenstudie in den Vereinigten Staaten zeigte, dass der Wechsel zu einem Integrase-Inhibitor während der Menopause mit einer beschleunigten Gewichtszunahme bei Frauen mit positivem HIV-Status verbunden war. Der Wechsel zu derselben Therapie vor der Menopause führte jedoch nicht zu einer signifikanten Gewichtszunahme. Forschende empfehlen, den Menopausenstatus zu berücksichtigen, bevor auf einen Integrase-Inhibitor umgestellt wird.
Resistenz gegen Dolutegravir
Mehrere Präsentationen auf der CROI 2024 diskutierten, ob HIV beginnt, eine Resistenz gegen Dolutegravir (DTG) zu entwickeln. DTG ist ein zentrales Medikament in den WHO-Empfehlungen für die Erst- und Zweitlinienbehandlung von HIV. Angesichts seiner weltweiten Verbreitung ist es wichtig, Anzeichen für die Entwicklung einer Resistenz des Virus gegen dieses Medikament zu überwachen. Die Konferenz zeigte, dass eine signifikante Resistenz gegen DTG zwar noch selten, aber häufiger geworden ist. Bestimmte Gruppen, einschliesslich Kinder, sind dem höchsten Risiko ausgesetzt.
Einzeldosis von MK-8527
MK-8527 ist ein neuer oraler Nukleosid-Reverse-Transkriptase-Translokationsinhibitor (nRTTI). Die Studie bewertete die antiretrovirale Aktivität, das pharmakokinetische Profil, die Sicherheit und Verträglichkeit einer Einzeldosis des Medikaments. Die Entwickler:innen vermuten, dass MK-8527 verlängerte Dosierungsintervalle ermöglichen könnte: von einmal pro Woche bis einmal pro Monat. Studienteilnehmende zeigten sieben Tage nach der Einnahme von MK-8527 eine signifikante Reduktion der Viruslast. Das Medikament zeigte in allen getesteten Dosierungen eine starke antivirale Aktivität. Es war gut verträglich, und es gab keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse. Die Forschenden betonten, dass die Sicherheits-, Wirksamkeits- und pharmakokinetischen Profile von MK-8527 in fortlaufenden klinischen Studien geprüft werden.
Breit neutralisierender Antikörper – N6LS
Der Antikörper VH3810109 (N6LS) wurde als Monotherapie bei unbehandelten HIV-Patienten getestet. Forschende diskutierten auf der Konferenz die Daten aus der Phase-IIa-BANNER-Studie . Bei intravenöser oder subkutaner Verabreichung zeigte der Antikörper eine starke antivirale Wirkung und wurde gut vertragen. Die therapeutische Reaktion war dosisabhängig und korrelierte mit dem Expositionsniveau. Die subkutane Verabreichung führte zu einer geringeren Reaktion im Vergleich zur intravenösen Verabreichung. Das Forschungsteam analysiert derzeit Daten zu aufkommenden Resistenzen, die während der Studien beobachtet wurden.
Trispezifischer breit neutralisierender Antikörper
Die erste Humanstudie des Antikörpers SAR441236 wurde auf der Konferenz vorgestellt. Er zielt auf drei verschiedene Epitope des HIV-1-Virus ab. Die Studie zeigte, dass der Antikörper sicher und gut verträglich ist. SAR441236 zeigte eine Pharmakokinetik, die der traditioneller HIV-Antikörper ähnlich ist, mit einer verlängerten Halbwertszeit, was ihn zu einem vielversprechenden Kandidaten sowohl für die Behandlung als auch für die Prävention von HIV macht.
Cabotegravir + breit neutralisierender Antikörper
Die Phase-II-Studie ACTG A5357 bewertete die Sicherheit und Wirksamkeit von Cabotegravir in Kombination mit VRC07-523LS. Der Antikörper wurde alle 8 Wochen intravenös, und langwirksames Cabotegravir wurde alle 4 Wochen intramuskulär verabreicht. Das Regime erwies sich als sicher, und die meisten Teilnehmenden behielten die Virussuppression bei. Die kumulative Wahrscheinlichkeit eines virologischen Versagens betrug 7,3 %.
Lenacapavir + 2 breit neutralisierende Antikörper
Die Studie untersuchte die Verwendung von Lenacapavir in Kombination mit zwei langwirksamen, breit neutralisierenden Antikörpern (Teropavimab und Zinlirvimab) zur Aufrechterhaltung der virologischen Suppression bei HIV-Patienten, die empfindlich auf einen der beiden Antikörper reagieren. Die Kombination wurde gut vertragen. In Woche 26 behielten 8 von 10 Teilnehmenden die virologische Suppression bei, was einer virologischen Versagensrate von 20 % entspricht.
Dreifache Kombination neutralisierender Antikörper
Forschende diskutierten die Wirksamkeit einer Kombination aus breit neutralisierenden Antikörpern (PGT121/PGDM1400/VRC07-523LS) zur Aufrechterhaltung der virologischen Kontrolle bei HIV-Patienten nach dem Absetzen der ART. Die Kombination erwies sich als wirksam, wobei über 80 % der Teilnehmenden mindestens 7 Monate lang eine unterdrückte Viruslast aufrechterhielten.
Alex Schneider / Mai 2024
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