Einfluss der antiretroviralen Therapieadhärenz auf das Risiko eines virologischen Versagens und die Sterblichkeit.  

AIDS
Adhärenz bezeichnet das Ausmass, in dem die Medikamenten-Einnahme mit den Empfehlungen des Arztes/der Ärztin übereinstimmt, auch Therapietreue genannt.

Glass und Kollegen haben in der vorliegenden Arbeit den Einfluss der antiretroviralen Therapie- (ART) Treue (sog. Therapieadhärenz) auf die Wahrscheinlichkeit eines virologischen Versagens und auf die Patientensterblichkeit untersucht.

Es zeigte sich, dass ein Auslassen von zwei oder mehr ART-Dosen innerhalb der vorangegangenen 4 Wochen das Risiko eines virologischen Versagens um das Fünffache erhöhte. Die Wahrscheinlichkeit eines virologischen Versagens lag dabei umso höher, je mehr ART-Dosen die Patienten ausgelassen hatten.

Bei Patienten, welche zwei oder mehr ART-Dosen in den vorangegangenen 4 Wochen vergessen hatten, war die Sterblichkeit ebenfalls um das Fünffache erhöht.
Diejenigen Patienten, welche unter einer einmal täglich einzunehmenden ART standen, hatten bei Vergessen einer ART-Dosis ein höheres Risiko für ein virologisches Versagen im Vergleich zu den Patienten, welche unter einer zweimal täglich einzunehmenden ART standen.

Die Studie zeigt eindrücklich, dass eine verminderte Therapieadhärenz zu einem deutlich erhöhten Risiko für ein virologisches Versagen führt und die Sterblichkeit erhöht.

Das Erfragen der ART-Adhärenz anlässlich der ärztlichen Kontrollen ist deshalb entscheidend und kann helfen Patienten zu identifizieren, welche ein Risiko für einen ungünstigen Therapieverlauf aufweisen. Es ist deshalb aus ärztlicher Sicht wichtig, zusammen mit dem Patienten die Gründe für eine unregelmässige ART-Einnahme zu untersuchen und mit dem Patienten Strategien zu entwickeln, welche die Regelmässigkeit der ART-Einnahme gewährleisten.


Kommentar Positivrat

Was die HIV-Patienten puncto Adhärenz und Therapietreue erreichen, ist ausserordentlich. Bei akuten Erkrankungen schaffen die Patienten – wenn es gut geht – eine Adhärenz von 60% bis 65%. Bei chronischen Erkrankungen sind die Werte generell etwas besser. Kaum jemand erreicht jedoch Werte von 95% und sogar mehr, wie dies von HIV-Patienten gefordert wird.

Die vorliegende Studie zeigt deutlich den Stellenwert einer sehr guten Arzt-Patientenbeziehung. Wer Schwierigkeiten hat mit dem pünktlichen Pillenschlucken sollte das mit dem Behandler besprechen und nach Lösungen suchen. Dafür muss man sich nicht schämen, denn diese Schwierigkeiten sind menschlich und verständlich. Wenn eine Therapie versagt, bilden sich Resistenzen. Es gibt zwar Alternativen, doch sind diese vielleicht nicht ganz so gut verträglich oder komplizierter. „Virologisches Versagen“ und „erhöhte Sterblichkeit“ tönen nicht nur dramatisch, sie sind es auch.

David Haerry / November 2016