Wie sieht eigentlich der Blick von der anderen Seite her aus? In der Schweiz leben etliche Menschen in serodifferenten Beziehungen, aber HIV-Negative Personen, die sich in dieser Situation befinden, kommen eher selten zu Wort. Eric* aus Zürich hat uns ein spannendes und bewegendes Gespräch gewährt.

SAN: Erzählst Du etwas über Dich?
Ich bin 23-jährig, komme ursprünglich dem Aargau. Ich lebe und arbeite seit 4 Jahren in Zürich als Grafiker. Seit meinem 16. Lebensjahr, weiss ich, dass ich schwul bin. Ich lebe seit vier Jahren in einer festen Beziehung. Mein Mann ist 37 und ist HIV-positiv, ich HIV-negativ.

Spielte HIV in deinem Leben eine Rolle, bevor Du deinen jetzigen Partner kennengelernt hast?
Ich dachte, „mich trifft es sicher nicht“, und habe mich am Anfang nicht geschützt. Nachträglich habe ich mich testen lassen und es wurde klar, dass ich ein Riesenglück hatte. Ich benutzte ab da eigentlich immer Kondome und das Thema geriet in den Hintergrund.

Und jetzt lebst Du mit einem HIV-positiven Mann zusammen.
Ich hatte gar keine feste Beziehung im Sinn, als wir uns kennenlernten. Nachdem wir zusammen geschlafen hatten, wollte er unbedingt mit mir reden. Er sagte, es sei für ihn ein bisschen kompliziert. Und dann sagte er es mir. Ich glaube, das war für uns beide ziemlich hart. Ich musste es erst mal verdauen und wusste überhaupt nicht, wie ich reagieren sollte. Wir hatten es sehr schön zusammen, ich war schon ein bisschen verliebt. Und wir hatten uns geschützt. Aber ich wusste überhaupt nicht, was auf mich zukommt und war total unsicher. Aber mein Mann hatte eine tolle Einstellung, er ging die Sache mutig an und hat nicht mit seinem Schicksal gehadert.

Was hast Du gemacht?
Ich hatte einen guten Freund auf der Aids-Hilfe, mit dem habe ich darüber gesprochen. Er sagte mir gleich, dass es verschiedene zuverlässige Schutzmöglichkeiten gibt und dass die Gefahr, mich anzustecken, sehr klein sei. Und sogar wenn etwas schiefginge, könnte man eine Postexpositionsprophylaxe (PEP) machen. In einer festen Beziehung weiss man ja sofort, wenn etwas nicht stimmt und kann dann die PEP auch sofort machen. Das hat mir alles Mut gemacht. 

Nahm dein Partner damals eine HIV-Therapie?
Als wir uns kennenlernten noch nicht. Ich glaube, dass hatte auch mit seiner schlechten Beziehung zum Unispital zu tun. Er fühlte sich dort nicht gut betreut, speziell als schwuler Mann, und hat dann zum Hausarzt gewechselt. Das hat die Situation verbessert und er hat kurz danach mit der ART begonnen. Heute geht er nur noch zu den halbjährlichen Kontrollen ins Spital. Es war schön für mich, von da an eigentlich immer dabei zu sein bei den wichtigen Beratungen und Entscheidungen.

Wie erlebst du die HIV-Therapie deines Partners?
Ich habe mich von Anfang an stark damit beschäftigt. Am Anfang hatte er mit den Nebenwirkungen zu kämpfen und das hat mich erschreckt. Aber ich wollte auch für ihn da sein und wir haben eigentlich dann zusammen für die nötigen Anpassungen bei den Medis gekämpft, bis er das richtige hatte. Jetzt geht es mit der ART im Grossen und Ganzen sehr gut und die Virenlast ist bei meinem Mann immer unter der Nachweisgrenze. Natürlich sieht man bei allen Beschwerden gleich die Infektion oder die Tabletten als Ursache, auch wenn es gar keinen Zusammenhang gibt. Und es gibt praktische Herausforderungen, auf Reisen, zusammen mit anderen Medikamenten usw.. Man lernt zusammen, richtig damit umzugehen.

Empfindest Du das manchmal als Belastung?
Nicht stärker, als ich andere Dinge als Belastung empfinden würde. Jeder hat im Leben auch Schwierigkeiten, und in jeder Beziehung gibt es auch belastende Dinge. Für mich hatten diese Erfahrungen eine heilsame Wirkung. In der schwulen Welt sind Äusserlichkeiten und alles Materielle total wichtig. Krankheit und Unvollkommenheit werden stark verdrängt. Das wurde mir bewusst und ich habe gemerkt, dass das nicht gut ist. HIV hat mich sozusagen davon befreit.

Benutzt ihr zusammen Präservative?
Wir machen das jetzt lange, weil es für beide so stimmte. Aber mittlerweile habe ich öfter das Bedürfnis, auf den Pariser zu verzichten. Es ist ein Thema, das uns beschäftigt und der Wunsch ist in uns beiden gewachsen. Wir haben auch beide die Tests für die anderen sexuell übertragbaren Infektionen gemacht. Ich sprach es dann von mir aus an. Mein Mann fand es super, dass ich ihm so vertraue. Da waren die Botschaft der EKAF und die Infos der AHS schon eine wichtige Hilfe. Verrückt ist aber, dass wir es vermutlich niemandem sagen würden, ich besonders nicht meinen Eltern!

Was denkst Du, würde eine HIV-Infektion für Dich bedeuten?
Wer kann das wissen? Ich bin mir heute sicher, dass das Risiko praktisch Null ist. Und wenn es trotz allem geschehen sollte, dann musste es wohl so sein. Das muss jeder für sich beantworten. Statt mir den Kopf über diese theoretische Gefahr zu zerbrechen, beschäftige ich mich lieber mit der Realität meines Lebens und mit meiner Beziehung.

Was wünschst Du Dir und anderen Menschen in deiner, oder eurer, Situation?
Als schwuler Mann wünsche ich mir, dass mit dem Thema HIV anders umgegangen wird. Es ist nicht bloss „wichtig“, es ist ein Lebensthema. Ein guter Umgang damit bringt jeden Menschen persönlich weiter. Aber vor allem möchte ich Menschen mit HIV dazu ermutigen, sich ihre Partner nicht nur unter ihresgleich zu suchen, sondern Mut zu fassen und für die Liebe zu kämpfen. Mein Mann hat es getan und ich kann mir heute nicht mehr vorstellen, ohne ihn zu sein. Jeder hat die Chance, den Richtigen zu finden.

Lieber Eric, Danke für dieses Gespräch.

Rainer Kamber, Aids-Hilfe Schweiz

 

* Name von der Redaktion geändert
POSITIV 1/2011
© Aids-Hilfe Schweiz, Newsletter „POSITIV“