Gesundheitsangebote, die auf den Prinzipien der Gleichstellung und der Menschenrechte basieren und auf frauenspezifische Bedürfnisse zur sexuellen Gesundheit und Reproduktion eingehen, können die Lebensqualität junger Frauen positiv beeinflussen. Um dies sicherzustellen, hat die WHO in Zusammenarbeit mit UNAIDS und weiteren UN-Institutionen neue Richtlinien zur sexuellen Gesundheit von Frauen, die mit HIV leben, veröffentlicht.

Eine erste Richtlinie für Frauen mit HIV und deren Kinder von 2006 wurde komplett überarbeitet und neu als „Konsolidierte Richtlinie zu sexueller und reproduktiver Gesundheit und den Rechten von Frauen mit HIV“ herausgegeben. Sie bietet wissenschaftlich abgestützte Empfehlungen – mit Fokus auf Gesundheitssystemen in Staaten mit eingeschränkten Ressourcen und Kapazitäten. Zusätzlich enthält sie Vorgehensweisen, die sich in der Praxis bewährt haben, sogenannte ‚Best Practices‘.

Gemäss Zahlen der WHO lebten 2015 weltweit 17.8 Mio. Frauen über 15 Jahren mit HIV. Die Verbreitung von HIV wird nicht nur durch Benachteiligung von Mädchen und Frauen begünstigt – HIV verstärkt diese Benachteiligungen noch zusätzlich. Darum stellt die WHO die Bedeutung der Menschenrechte und der Gleichstellung der Geschlechter für Gesundheitsangebote von Frauen mit HIV ins Zentrum: Viele Empfehlungen und Best Practices erläutern diese Anliegen im Detail. Die Empfehlung der WHO aus dem Jahr 2015, alle HIV-positiv Getesteten mit einer HIV-Therapie zu behandeln, besteht weiterhin. Neu sollen Frauen, die besonderen HIV-Risiken ausgesetzt sind, Zugang zu PreP (Pre-Exposure-Prophylaxe) erhalten. Die Guideline richtet sich an Institutionen und Organisationen im Gesundheitsbereich. Ausgehend von einem positiven Testresultat gliedert sie sich nach Dienstleistungen in folgende Themenbereiche: psychosoziale Unterstützung und Beratung, Altern und gesunde Sexualität, wirtschaftliches Empowerment und Zugang zu Ressourcen (auch zu Lebensmitteln), Integration von HIV-Angeboten und Beratung zu Sexualität und Familienplanung, Empowerment und Bestärkung der Selbstwirksamkeit rund um Safer Sex und Entscheidungen zur Fortpflanzung, sicheres Aussprechen der HIV-Infektion für Frauen, die sich vor gewalttätigen Reaktionen fürchten, Begleitung von Mutter und Kind vor, während und nach der Geburt sowie sichere, medizinische oder operative Abtreibung.

Die WHO fordert Interventionen, um Barrieren auf individueller, sozialer und gesellschaftlicher Ebene abzubauen, welche Frauen daran hindern, HIV-spezifische Gesundheitsberatung und –betreuung in Anspruch zu nehmen. Solche Massnahmen sollen den Zugang, sowie die Akzeptanz, Gleichstellung, Qualität, Effektivität und Effizienz der Dienstleistungen in Gesundheitszentren stärken.

Empfehlungen zu Beratung rund ums Coming-out sollen Frauen stärken, auch indem sorgfältig abgeklärt wird, ob und welche Gefahren daraus erwachsen können. Kaiserschnitt gilt nicht mehr als Standard zur Entbindung von HIV-positiven Frauen und Abtreibung soll für Frauen – unabhängig von ihrem HIV-Status – möglich und medizinisch sicher sein. Neue Best Practices gibt es zu psychosozialer Unterstützung, etwa durch Peers und Selbsthilfegruppen, das Recht von Frauen auf ein freies und erfülltes Sexualleben, Sicherung der Ernährung, Zugang zu Sexual- und Familienberatung. Frauen mit HIV sollen stärker beim Aufbau und der Umsetzung von Angeboten im Gesundheitsbereich mitbestimmen. Die WHO-Richtlinie unterstützt Professionelle dabei, umfassende Gesundheitslösungen für Frauen mit HIV zu realisieren, indem sie Argumentarien zur Verfügung stellt. Die neuen Empfehlungen und Best Practices sind übersichtlich und leicht verständlich in einem 12-seitigen Executive Summary zusammengefasst.

 

Romy Mathys / August 2017