Casablanca, 28. – 31. März 2010

Gegen 2000 Personen, mehr als die Hälfte davon aus den Ländern des Südens, nahmen an dieser wichtigsten frankophonen HIV/Aids-Konferenz in Marokko teil. Im Zentrum standen Fragen der Therapieversorgung, der Migration und von Stigma und Diskriminierung von HIV/Aids.

Wir wissen genug, können wir handeln?
Die HIV-Therapie ist zentral für die Lebens- und Gesundheitserwartung von Menschen mit HIV und gleichzeitig spielt sie für die HIV-Prävention eine wichtige Rolle. Für die Ausweitung der Therapieversorgung stellen sich für die Länder des Südens aber weiterhin grosse Herausforderungen. Und dies in einer Situation, in der zu jeder therapierten Person zwei neu Infizierte hinzukommen. 2005 setzten sich die Vereinten Nationen (UNAIDS) das ergeizige Ziel, bis 2015 die Hälfte aller Menschen mit HIV-Therapiebedarf zu versorgen. Dazu mussten die Rahmenbedingungen geschaffen, die finanziellen Mitteln beschafft und die Akteure zur Umsetzung des Plans « 3 by 5 » mobilisiert werden. In Casablanca wurde diesbezüglich eine gemischte Bilanz gezogen. Einerseits konnten die Medikamentenpreise seit 2006 um 50% gesenkt werden und die Medikamentenversorgung hat sich verbessert (1). Andererseits sind tiefere Preise und mehr Geld nötig. (2) Dazu gehört auch die Möglichkeit zur Produktion von Generika vor Ort und dies bedingt die Freigabe bestimmter Wirkstoffpatente. Darum wurde von Unitaids erneut zur Konstituierung eines Patente-Pools aufgerufen.(3) Einige Länder verfolgen diese Politik bereits erfolgreich und haben entsprechende Vereinbarungen abgeschlossen.

Stand 2010: Herausforderungen, Probleme
Neben der Finanzproblematik, die auch Medikamente gegen andere wichtige Infektionen wie TB und HCV betrifft, besteht das Problem, dass das vorhandene Wissen nicht in Handeln übersetzt wird. Das betrifft z.B. den Einsatz von klassischen Präventionsmitteln, aber auch Massnahmen zur Förderung der Therapietreue. Nötig ist eine «éducation thérapeutique». Es ist die Aufgabe der MediatorInnen, aber auch aller anderen AkteurInnen, die Observanz von Präventions- und Therapiemassnahmen zu sichern. Das ist speziell wichtig im Hinblick auf die auch in Afrika markant steigende Lebenserwartung von Menschen mit HIV unter ART.

Diskriminierung und Stigmatisierung von HIV+ und Homosexuellen sind nach wie vor stark verbreitet. Insbesondere die Gesetzgebung in (nord)afrikanischen Ländern mit Strafandrohung für Homosexualität erschwert Prävention und Therapie. Allerdings ist Diskriminierung gerade auch für Frauen in Afrika ein wichtiges Problem. Weiter muss Prävention und Versorung stärker in besonders vulnerablen Gruppen  wie Strafgefangenen, FSW und und IDU ausgeweitet werden.

Betont wurde weiter die Wichtigkeit der psychologischen Akzeptanz der Infektion bzw. des Infektionsrisikos. Die Anwendung von Präventionswissen, Therapiewissen und nachhaltigem Gesundheitspflegewissen sind bedeutende Herausforderung sowohl für die Forschung als auch für die Bildung im Gesundheitsbereich.

Homosexualität ist kein koloniales Problem
Cheikh Ibrahima Niang aus Kamerun demontierte demgegenüber den (afrikanischen) Mythos, dass Homosexualität ein von ausserhalb nach Afrika importiertes Phänomen sei und plädierte für die „Integration des Anderen“. Niang ist Anthropologe, lehrt in Dakar und befasst sich seit langer Zeit mit den sozialen Aspekten der HIV-Epidemien in Senegal, Côte d’Ivoire, Ruanda, Burkina Faso, Gambia und Guinea. Er war verschiedentlich als Berater für UNAIDS tätig und koordiniert das SAHARA-Netzwerk für Westafrika (Social Aspects of HIV/AIDS Research Alliance). (4)

Die nächste, 6. Conférence Francophone sur le VIH/SIDA wird 2012 in Genf stattfinden. (5)

Barbara Beaussacq, Noël Tshibangu, Aids-Hilfe Schweiz

(1) Durchschnittlich sind 40% des Bedarfs gedeckt, www.unaids.org.
(2) The Global Fund stellt jährlich 19 Mia Dollar zur Verfügung, www.theglobalfund.org.
(3) Patent Pool Intitiative: www.unitaid.eu.
(4) www.sahara.org.za.
(5) www.vihcasablanca2010.com.
Swiss Aids News 2, Juni 2010, www.aids.ch