In der Schweiz ist für Menschen aus Subsahara Afrika die eigene Community ein wichtiges soziales Netzwerk, das sie in vielfacher Weise unterstützt. Die Angst davor, wegen HIV in der eigenen Community diskriminiert und stigmatisiert zu werden, ist darum besonders gross. Viele verheimlichen ihre HIV-Infektion vor ihren Landsleuten und sind darum auf die Diskretion von Fachleuten beispielsweise in der Asylbetreuung oder im Sozialbereich angewiesen. Eine «Erklärung zur Schweigepflicht» soll dazu beitragen, die Bedeutung dieser Schweigepflicht im Zusammenhang mit HIV nochmals aufzuzeigen.
Der Positivrat hat mit seinem Migrationsprojekt im Bereich HIV-Therapie von Menschen aus Subsahara Afrika Probleme analysiert und dazu Lösungsvorschläge generiert. Viele von ihnen leben mit grossen Ängsten davor, wegen HIV stigmatisiert und diskriminiert zu werden. Als Lösungsvorschlag hat der Positivrat eine «Erklärung zur beruflichen Schweigepflicht» als einfaches Instrument erarbeitet. Sie wurde für Fachleute konzipiert, die im beruflichen Kontext mit HIV-positiven Menschen aus Subsahara Afrika arbeiten. Ziel der Erklärung ist es, Personen, die in der Pflege, in der Sozialen Arbeit oder im Asylwesen arbeiten, für die spezifischen Ängste von Menschen mit HIV zu sensibilisieren. Eine HIV-Infektion und deren Behandlung gehören zu den besonders schützenswerten Personendaten und stehen in der Schweiz unter beruflicher Schweigepflicht.
Bei Menschen mit HIV aus Subsahara Afrika ist die Angst davor, von ihren eigenen Landsleuten wegen HIV diskriminiert und stigmatisiert zu werden, besonders stark ausgeprägt. Selbst harmlose Hinweise zur täglichen Medikamenteneinnahme in einem Asylzentrum können darum im Erleben einer betroffenen Person intensive Ängste auslösen, von Landsleuten als HIV-positiv erkannt zu werden. Von solchen „Versprechern“ wird immer wieder berichtet und Betroffene fühlen sich solchen Situationen hilflos ausgeliefert.
Die Schweigepflichterklärung eröffnet HIV-Fachleuten die Möglichkeit, die berufliche Schweigepflicht in Bezug auf HIV zu thematisieren und aufzuzeigen, welche Konsequenzen ein Verstoss dagegen für die Betroffenen haben kann. Gerade weil sie fern von ihrer Heimat nicht auf ihre vertrauten sozialen Netzwerke zurückgreifen können, sind für Menschen aus Subsahara Afrika bestehende Diaspora-Netzwerke von grosser Bedeutung und eine wichtige soziale Ressource. Das Risiko, ihr persönliches Umfeld und damit ihre zentrale soziale Unterstützung zu verlieren, löst bei ihnen grosse Ängste aus. Darum versuchen sie mit allen Mitteln zu verhindern, dass andere Personen aus ihrem Land von ihrer HIV-Infektion erfahren und diese Information in der Community weitererzählen oder über Facebook weiter verbreiten. Darum ist es für die Betroffenen zentral, dass die berufliche Schweigepflicht in Bezug auf ihre HIV-Infektion und die dafür notwendigen Medikamente zuverlässig gegenüber allen Personen gewahrt wird.
Romy Mathys / November 2016