Das Risiko, an einer Lebererkrankung zu sterben, sinkt deutlich, und verbesserte allgemeine Überlebensraten – das sind in Kürze die Ergebnisse einer Analyse von 3’500 Patienten, welche an der EACS in Barcelona präsentiert wurde. Bei einer ähnlichen Studie wurde gezeigt, dass leberbedingte Erkrankungen zurückgehen, aber Leberkarzinome bei ko-infizierten Patienten ein Risiko bleiben. Die vorgestellten Studien beleuchten die heute veralteten Interferon-basierten Therapien, sie sind aber wegen der langen Beobachtungszeit trotzdem aufschlussreich.

Eine chronische HCV-Infektion führt über Jahre oder Jahrzehnte zu schweren Schädigungen der Leber – zum Beispiel durch eine Leberzirrhose, ein sogenanntes hepatozelluläres Karzinom oder Leberversagen, welches eine Transplantation erforderlich macht. Aus der Forschung wissen wir auch, dass die Erkrankung bei ko-infizierten Patienten rascher fortschreitet als bei Menschen, die sich nur mit einer Hepatitis-C allein infiziert haben.

COHERE (Collaboration of Observational HIV Epidemiological Research in Europe) ist eine Zusammenarbeit von 33 Kohortenstudien in Europa, welche alle Altersklassen abbildet. Die Grösse von COHERE ermöglicht die Beantwortung von Fragestellungen, welche eine einzelne Kohorte nicht beantworten kann.

Die Hepatitis Subgruppe von COHERE hat das langfristige allgemeine Todesfallrisiko, das Risiko von leberbedingten und nicht leberbedingten Todesfällen von ko-infizierten Patienten und die Auswirkungen einer Hepatitis-C Therapie in einer grossen Multikohortenanalyse angeschaut. 18 COHERE Partnerkohorten machten mit, inklusive die Schweizerische HIV-Kohorte SHCS.

In die Untersuchung eingeschlossen wurden Patienten, welche eine auf Interferon basierende Hepatitis-C Therapie begonnen haben und anschliessend für 96 Wochen beobachtet wurden. Die ganz neuen, interferonfreien Therapien konnten noch nicht berücksichtigt werden. Fast 80% der Patienten waren Männer, 60% haben in der Vergangenheit Drogen gespritzt. Im Durchschnitt waren die Patienten 42-jährig. Die meisten hatten zudem eine HIV-Therapie. Mehr als die Hälfte hatten HCV Genotyp 1; und 4% der Patienten waren dreifach infiziert (HIV, Hepatitis B und C).

Die Patienten wurden in drei Gruppen eingeteilt: 

  1. Erfolgreich therapierte: erhielten 24 Wochen Interferon/Ribavirin und der letzte HCV Nachweistest war negativ (Virus nicht mehr nachweisbar) 
  2. Erfolglos therapierte: erhielten weniger als 24 Wochen Interferon/Ribavirin (offenbar unwirksame Therapie) oder der letzte HCV Nachweistest war positiv (Virus nachweisbar)
  3. Erfolg nicht bekannt: erhielten 24 Wochen Interferon/Ribavirin, Informationen betreffend HCV Nachweistest fehlen.

3’500 Patienten wurden in die Untersuchung eingeschlossen. 28,5% gehören zur ersten Gruppe (erfolgreich therapiert); 45,3% zur zweiten (erfolglos therapiert) und bei 26,2% war der Erfolg nicht bekannt (Gruppe drei). Wenn man die drei Gruppen näher anschaut, zeigt sich, dass die erfolgreich behandelten später therapiert wurden (2007 gegenüber 2005), weniger häufig Drogen gespritzt haben (47% gegenüber 65% und häufiger Hepatitis B hatten. Auch hatten sie bessere CD-4 Werte und waren weniger häufig an Aids erkrankt.

Die erfolgreich therapierten hatten weniger häufig Genotyp 1 (dieser reagiert weniger gut auf eine Therapie mit Interferon). Die Forscher untersuchten die Überlebenszeit ab Woche 96 nach Behandlungsbeginn bis zum Todesfall oder bis zur letzten medizinischen Untersuchung. Insgesamt 213 Patienten verstarben innerhalb der Nachbeobachtungszeit von durchschnittlich 3,8 Jahren.

Die generelle Todesfallrate war bei den erfolgreich therapierten etwa halb so hoch wie bei den erfolglos therapierten. Wenn man nur die leberbedingten Todesfälle anschaut, wird der Unterschied noch grösser – nicht erfolgreich therapierte starben 4,5 mal öfter an leberbedingten Erkrankungen als erfolgreich behandelte.

Fazit und für uns heute wichtig:

Trends betreffend Leberkrebs (hepatozelluläre Karzinome) und Lebererkrankungen 

Diese Analyse bezieht sich auf die Jahre 2001 bis 2014. Berücksichtigt wurden Daten ko-infizierter Patienten aus den Studien von EuroSIDA, der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie SHCS, einer kanadischen sowie einer amerikanischen Koinfektionskohorte.

Mehrheitlich Männer (68%), im Durchschnitt 38 Jahre alt und 60% ehemalige Drogengebraucher, 5% mit einer zusätzlichen Hepatitis-B Infektion. Der Hepatitis-C Status wurde durch Antikörper bestimmt, nicht durch Bestimmen der Viruslast. Einige Studienteilnehmer könnten daher die Hepatitis-C spontan ausgeheilt haben. 

Insgesamt wurden 72 Fälle von Leberkrebs und zusätzlich 375 weitere Lebererkrankungen beobachtet, während einer kumulierten Beobachtungszeit von 45’000 Personenjahren. Patienten mit Leberkrebs waren etwas älter als jene mit anderen Lebererkrankungen und waren häufiger mit einer Hepatitis-B infiziert. Sie waren auch häufiger unter antiretroviraler Therapie und hatten höhere CD4-Werte.

Während der Beobachtungszeit stieg die Häufigkeit von Leberkrebs massiv von 0.4 auf 2.3 Fälle pro 1’000 Personenjahre. Gegenläufig sanken aber gleichzeitig die anderen Lebererkrankungen. Das stärkste Vorzeichen auf Leberkrebs war eine Leberzirrhose. Höheres Alter und Hepatitis-B verstärken das Risiko, während bessere CD4-Werte schützend wirken. Die Autoren nehmen an, dass der Leberkrebs zunahm, weil zugleich auch die Zirrhosefälle häufiger auftraten.

Was bedeutet das für uns?

In einer anschliessenden Debatte, ob eine Heilung von HCV „alle Probleme löst“ zeigten sich Juan Berenguer aus Madrid und Stefan Mauss aus Düsseldorf einig und beleuchteten leberbedingte Resultate und extra-hepatische Auswirkungen der Hepatitis-C Infektion (Erkrankungen ausserhalb der Leber). 

Die bekannten Studien zeigen übereinstimmend, dass eine erfolgreiche Therapie die Anzahl leberbedingter Komplikationen wie fortgeschrittene Fibrose, Zirrhose und Blutdruckanstieg in der Leberportalvene reduziert. Trotzdem besteht für HCV-Patienten auch nach einer Heilung ein erhöhtes Risiko, an Leberkrebs oder einer dekompensierten Leberzirrhose zu erkranken – eine Überwachung der Leber ist also trotz Heilung weiterhin nötig. Die Auswirkungen einer Heilung auf Erkrankungen ausserhalb der Leber sind hingegen weniger deutlich – man denke an die Kryoglobulinämie (Gefässentzündung), Diabetes Typ 2 und Herz-Kreislauferkrankungen. Die Aussichten für die Patienten verbessern sich zwar, und die leberbedingten Todesfälle nehmen ab. Auf die Erkrankungen ausserhalb der Leber hat aber die Therapie vor allem dann einen Einfluss, wenn die Fibrose noch wenig fortgeschritten ist.

Diese Beobachtungen sind ein Fingerzeig auf die negativen Auswirkungen von Behandlungslimitationen wie sie in der Schweiz leider immer noch vorkommen.

David Haerry / Februar 2016