Die European AIDS Treatment Group EATG führt am Kongress jeweils eine Community Session zu einem frei bestimmten Thema durch. Heuer war das Thema PrEP, so wird die Prä-Expositions-Prophylaxe meist genannt. PrEP bedeutet, dass man präventiv Substanzen verabreicht, die in der HIV-Therapie verwendet werden, um eine HIV-Infektion zu verhindern. Es ist also klar eine präventive Massnahme.
In diversen Vorträgen ging es um die Kosteneffizienz der PrEP, die nachgewiesen zu sein scheint. Es wurden verschiedene prophylaktisch sinnvolle Settings diskutiert, um diese Technik gezielt einsetzen zu können. Z.B. werden die meisten MSM diese nicht benötigen. Hingegen soll sie bei Männern eingesetzt werden können, die offensichtlich mit konventionellen Präventionstechniken Mühe haben. Als Beispiele wurden erwähnt: Männer, die mehrmals (im gleichen Jahr) eine PEP verlangen oder anderswie auffällig riskant leben, Sex-Workers oder ChemSex-Konsumenten. Es ist in fast jedem Fall preisgünstiger und immer sinnvoller, HIV-Infektionen zu verhindern, als sie danach lebenslänglich zu behandeln. Immerhin geht es ja nicht nur um die betroffenen Personen selber, sondern eben auch um die, die mit diesen potentiell ungeschützte sexuelle Kontakte pflegen. Die Diskussionen sind etwas ähnlich wie früher, als man Gratiszugang zu sterilen Nadeln für Fixer und Kondomen gefordert hat, um Infektionen zu verhindern. Allerdings geht es hier um eine medizinische Prävention.
Im Weiteren wurden spezifische Probleme diskutiert. Truvada® ist nicht für präventiven Gebrauch zugelassen. Es gibt allerdings im Internet bereits relativ frei zugänglich ein grosses Angebot an generischen Produkten. Diese dürfen aber aufgrund der Patentschutzgesetze hierzulande weder eingeführt noch auf den Markt gebracht werden, auch wenn dies die Verfügbarkeit auch nicht besonders einschränken würde. Die Folge davon ist ein Schwarzmarkt analog zu Viagra, Poppers etc. Der Zugang zu PreP sollte sehr niederschwellig sein. Dennoch empfiehlt Prof Cristina Mussini eine Verschreibungspflicht durch einen Arzt. Eine engmaschige medizinische Überwachung macht nur schon aus der Sicht der anderen sexuell übertragbaren Krankheiten Sinn, weil diese damit wie Beifang früher in den Netzen hängen bleiben. Der Zugang zur PreP darf selbstverständlich nur HIV-Negativen erlaubt sein, da Truvada® nur Teil einer vollwertigen Therapie sein kann. Ein vorgängiger (negativer) Test ist also zwingend. Aus all diesen Gründen ist eine kontrollierte Abgabe sinnvoll und die momentan relativ freie Verfügbarkeit auf dem Schwarzmarkt keine gute Option.
Soweit ich bei der Session anwesend war, habe ich von keiner Seite ersthafte Einwände gegen den Einsatz von PrEP vernommen. Es wurde im Gegenteil Druck auf Gilead gemacht, den Zulassungsprozess von Truvada® als präventives Medikament möglichst zu beschleunigen.
VValo Bärtschi / November 2015