Die HIV-Therapie heute

Noch immer ist eine HIV-Infektion nicht heilbar. Dies geht leider oft vergessen oder wird gar ausgeblendet. Das HI-Virus schwächt das Immunsystem und macht infizierte Personen anfällig für so genannte oppor­tunistische Infekte. Dazu gehören u.a. Lungenentzündung, Salmonelleninfektion, Candidiasis, Toxoplasmose und Tuberkulose. Bei einem Menschen mit einem gesunden Immunsystem kommen solche Infektionen gar nicht vor oder werden erfolgreich abgewehrt. Bei einem HIV-Patienten mit stark geschwächtem Immun­system können sie jedoch fatale Folgen haben. Nach Ausbruch der HIV-Epidemie Ende der 80er-Jahre sind denn auch weltweit über 36 Millionen Menschen – hauptsächlich an solchen Krankheiten – gestorben.

Die Fitness des Immunsystems wird anhand der Viruslast und der Anzahl CD4-Zellen im Blutplasma gemes­sen. Bei einem gesunden Menschen rechnet man mit 500 bis 1’400 CD4-Zellen pro Mikro-Liter Blutplasma. Sinkt der Wert nach einer HIV-Infektion auf Werte unter 200 pro Mikro-Liter Blutplasma, besteht ein hohes Risiko für opportunistische Infekte.

Ab Mitte der 90er-Jahre wurden dank der intensiven Forschung zur Bekämpfung von HIV und Aids die ers­ten antiretroviralen Medikamente verfügbar. Diese – vorerst noch als Kombination von drei Wirkstoffen, weshalb der Name Tritherapie – können das Virus zwar nicht eliminieren, sie können es aber so weit in Schach halten, dass es im Blutplasma meist nicht mehr nachweisbar ist und sich das Immunsystem erholen kann. Dies sei anhand eines einfachen Bildes erläutert: Der HIV-Patient sitzt in einem Boot, das ein Leck hat. Die HIV-Therapie ist die Pumpe, mit der er Wasser abpumpen kann. Hört er mit Pumpen auf, dann sinkt das Boot. Wie aus der Abbildung ersichtlich, nimmt die Viruslast bei einer erfolgreichen Therapie rasch ab und bleibt unter der Nachweisgrenze und gleichzeitig steigt der Werte der CD4-Zellen an und verlässt den kri­tischen Bereich unter 200 pro Mikro-Liter Blutplasma.

HIV-Medikamente müssen regelmässig eingenommen werden, was vom Patienten eine gewisse Disziplin und Eigenverantwortung erfordert. Wenn die Therapie abgesetzt oder unterbrochen wird, steigt die Virus­last erneut an, denn das Virus bleibt weiterhin in verschiedenen Körperorganen präsent und kann sich dann erneut vermehren und über den Blutkreislauf im Körper ausbreiten. Die sogenannte ART (antiretrovirale Therapie) hat zwei entscheidende Vorteile: Nebst dem Absenken der Viruslast ermöglich sie dem Immun­system sich zu erholen, die Zahl der CD4-Zellen steigt allmählich wieder an. Die Betroffenen können ein nahezu beschwerdefreies und normales Leben führen, sie gewinnen wesentlich an Überlebenschance und Lebensqualität. Der zweite grosse Vorteil ist, dass HIV-Patienten unter wirksamer Therapie nicht mehr infek­tiös sind, sie können also das HI-Virus – auch bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr – nicht mehr übertragen. Allerdings besteht bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr weiterhin das Risiko, sich mit anderen sexuell übertragbaren Krankheiten anzustecken.

Diese Grafik zeigt als Beispiel die Ergebnisse eines Patienten unter erfolgreicher HIV-Therapie. Im Rahmen der schweizerischen HIV-Kohortenstudie[1] wird er seit Ende der 90er-Jahre vom Universitätsspital Lausanne (CHUV) medizinisch betreut. Besonders eindrücklich ist die fortlaufende Verbesserung der CD4-Zellen über die Jahre. Wir können davon ausgehen, dass die Immunabwehr dieses Patienten sich auf normalen Werten eingependelt hat.

Die HIV-Medikamente wurden seither kontinuierlich weiterentwickelt. Anfänglich waren sie mit starken Einschränkungen, Nebenwirkungen und Unannehmlichkeiten verbunden; das hat sich seither we­sentlich verbessert. Für weitere Informationen zu den neueren HIV-Therapien sei auf den Artikel von David Haerry im Newsletter des Positivrat Schweiz vom Dezember 2021 verwiesen: Kurzbericht Europäischer Aids-Kongress EACS in London Oktober 2021.

Hansruedi Völkle / November 2023

[1] Die schweizerische HIV-Kohortenstudie (www.shcs.ch/community/de) ist eine Überwachungsstudie, die eine grosse Zahl HIV-infizierter Personen in der Schweiz einschliesst. Es handelt sich um eine Zusammenarbeit der Infektionsambulanzen von Schweizer Universitätskliniken und Spitälern mit einigen Privatärzten. Das Hauptziel besteht darin, eine optimale Patientenversorgung zu gewährleisten, die HIV-Übertragung zu reduzieren und For­schung zu HIV-Behandlung durchzuführen.

 

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