Hepatitis C ist eine der Krankheiten, die aufgrund der Tatsache, dass die meisten so wenig darüber wissen, mit Vorurteilen behaftet sind, so wie auch HIV und Aids. Ich weiss, wovon ich spreche, denn ich war eine Betroffene. Mit 23 Jahren infizierte ich mich bei einem Homöopathen durch eine verschmutzte Spitze mit dem Virus. Heute bin ich gesund! Und möchte mit dem Aufbau des Onlineportals «Patientube» meine Erfahrungen weiter- und anderen Betroffenen eine Stimme geben.

 

Durchs Leben gerast 

Ich weiss sehr genau, was es heisst vor einer Diagnose zu stehen die eine ungewisse Zukunft bedeutet. Hepatitis C kann eine Leberzirrhose hervorrufen, gar ein Leberkarzinom. Ich musste also mit 23 Jahren erstmal verdauen, dass ich eventuell rund 15 Jahre früher sterben würde als meine Altersgenossen. Natürlich versuchte ich alles, um gesund zu werden. Ich weiss auch wie es ist, wenn Therapien nicht anschlagen, Hoffnungen zerstört werden. Wegen starker Nebenwirkungen brach ich zwei Behandlungen ab, – sie halfen auch nicht wirklich. Danach raste ich mit dem «Fuss auf dem Gaspedal» durchs Leben – ich dachte ich habe nichts zu verlieren. Ich war nicht gut zu mir und meinem Körper.

 

Umdenken

Man fühlt sich grausam alleine gelassen in solch einer Situation, denn auch das Umfeld reagiert oft einmal unbeholfen – selbst wenn es gut gemeint ist. Auch das sind Erfahrungen, die schmerzlich sind. Einmal war ich zu einem Abendessen eingeladen, als sich ein enger Freund bemüssigt fühlte, dem Gastgeber zu mailen man möge doch das Essen besser verschieben, denn ich hätte gerade eine neue Therapie begonnen deren Auswirkungen auf meine Physis und Psyche man noch nicht absehen könne. Ich flippte aus! Fühlte mich zur Schau gestellt, in meiner Privatsphäre verletzt. Ich merkte: die Leute haben keine Ahnung was Hepatitis C ist. Ich denke, manch einer fürchtete, sich anzustecken.

 

Hoffnung

Als dann mein wunderbarer Arzt, Prof. Dr. med. Bernhard Sauter, vom Gastrozentrum der Klinik Hirslanden in Zürich Zugang zu einem neuen Medikament verschaffte, war das das Tor zu einer neuen Welt. Es war der Beginn meiner Heilung – die nun wirklich abgeschlossen ist. Aber ich weiss natürlich noch immer ganz genau, was Kranke beschäftigt, wie man sich fühlt, wenn man eine schlechte Diagnose gestellt bekommt, wie einsam man sein kann trotz liebender Menschen um sich herum. Und genau das führte für mich zur Gründung von Patientube.

 

Ein Raum, indem man verstanden wird

Patientube.com, die Online-Plattform die ich gerade mit meinem Partner Andreas Kreimaier und einem Team von engagierten Mitgestaltern aufbaue, ist sozusagen die Essenz all dieser jahrzehntelangen Erfahrungen. Es ist eine Kombination aus Instagram, Youtube und Facebook. Zudem finden regelmässig Veranstaltungen zu bestimmten Themen statt. Die User haben die Möglichkeit, sich anhand von Videoclips auszutauschen, die mit der heutigen Technik auch direkt mit dem Mobiltelefon aufgenommen werden können.

Es geht darum, anderen Patienten oder Angehörigen etwas weiterzugeben was ihnen in der Krankheitsbewältigung Erleichterung bringt und sie begleitet, sowie das Gefühl vermittelt nicht alleine zu sein. Im Zeitalter der neuen Medien und des Internets verlagert sich die diesbezügliche Kommunikation immer mehr von den herkömmlichen Selbsthilfegruppen ins Internet, was auch sehr unpersönlich sein kann. Patientube will daher Brücken schlagen und die Bedürfnisse und Austauschmöglichkeiten von Betroffenen in eine bewegte Bildsprache transportieren. Konkret: auf der Online-Plattform können sich Betroffene, Ärzte, die Mitglieder von Patientenorganisationen, der Forschung oder Pflegende, kurzum alle die in die Themen involviert sind via Videobotschaften austauschen. Das ist das gänzlich Neue.

 

Patientube: das andere Forum

Was aber ist anders als bei anderen Patientenforen? Bei patientube.com können sich die Menschen selbst aufnehmen und die Themen bestimmen die sie bewegen. Wir gehen damit einen Schritt weiter als Ende der 90er Jahre. Damals gründete ich das Patientenforum, einen Ort der Begegnung, an dem sich Betroffene und deren Angehörigen, Ärzte, Wissenschaftler, Pflegepersonal, Komplementärmedizinern, Therapeuten und Psychologen austauschen und somit unterstützen konnten. 

Im Mittelpunkt steht für patientube.com der Patient. Dieser braucht eine lautere Stimme, man muss mehr Rücksicht auf ihn nehmen und ihn aktiver nicht nur in den Gesundungsprozess, sondern auch in die Prävention und die Rehabilitation einbinden.

 

Unkompliziertes Handling

Es funktioniert ganz einfach: Wer möchte, kann eine Videobotschaft hochladen. Damit dies nicht unkontrolliert geschieht oder gar missbraucht werden kann, werden diese durch unsere Redaktion beurteilt und erst dann freigeschaltet. Und jeder User kann selbst entscheiden was damit geschieht – ob es öffentlich gemacht wird oder ob die Kontakte im geschützten Rahmen nur denen sichtbar sind, die das auch sehen sollen. In der momentanen Aufbauphase sind wir sehr viel unterwegs, reisen durch Europa, besuchen Ärzte, Patientenorganisationen, medizinische und gesundheitspolitische Institutionen und natürlich Patienten, interviewen sie und gewinnen sie dafür, mitzumachen. Es ist eine wunderbare Erfahrung die wir machen dürfen. Überall werden uns die Türen weit geöffnet, wir stossen auf Wohlwollen und die Bereitschaft, mit uns zusammen zu arbeiten. Auf diese Weise durfte ich auch auf die Unterstützung von David Haerry vom Positivrat zählen.

 

Im geschützten Rahmen kommunizieren

Mir ist klar, dass es nicht jedermanns Sache ist, seine Krankheitsgeschichte im Internet preiszugeben. Deswegen haben wir in die Patientube Informationsplattform die Community UNALONE integriert, einen audiovisuellen Blog, in dem sich alle die wollen virtuell treffen und gegenseitig begleiten können. Ein spannendes Projekt, das sich sicherlich zu verfolgen lohnt.

 

Andrea Rinderknecht / Juni 2017

patientube.com
unalone.com
instagram.com/patientube_com