Community Mitglieder protestierten am DÖAK 2019 gegen den Ausschluss von der Ausstellung der Pharmafirmen. Neben den medizinischen Sessions fanden auch psychosoziale HIV-Themen zu Frauen, Psyche, Älter werden, PrEP und Community ihren Platz.
Der DÖAK fand 2019 im Hamburger Hafen im historischen Schuppen 52 statt. Shuttle-Busse und ein Shuttle-Schiff erleichterten den Teilnehmenden, den Tagungsort zu erreichen. Für Menschen mit HIV von besonderem Interesse waren die Veranstaltungen zu HIV und Psyche, Frauen & HIV, HIV in der Schwangerschaft, Hepatitis B & C, PrEP, die Community Session zu GIPA sowie der gemeinsame Community Event am Freitagabend.
Inhalte am DÖAK
Für die HIV-Forschung ist die Behandlung von Frauen noch immer vor eine besondere Herausforderungen. So haben beispielsweise an den Studien zur Cure-Forschung keine Frauen teilgenommen. Auch fehlen Untersuchungen zu spezifischen ART-Dosierungen für Frauen, die deren unterschiedliches Gewicht und oder den weiblichen Stoffwechsel berücksichtigen. Franziska Borke beschrieb eindrücklich den «sozialen Tod», den eine HIV-Infektion und das daraus resultierende emotionale Chaos, geprägt von Scham, Schweigen, Ängsten sowie Bewertungen auch heute noch auslöst. Studien in Afrika bestätigen, dass Schwangere sich leichter mit HIV infizieren als Nicht-Schwangere. Auch bleiben die Behandlungsmöglichkeiten für Schwangere mit ART eingeschränkt. Hingegen ist das Älter werden mit HIV wird immer normaler, denn mehr als die Hälfte der Frauen mit HIV in der Schweiz sind über 50 Jahre alt. Die bittere Pille dabei ist, dass PrEP bei Frauen nicht gleich wirkt wie bei Männern. Das Problem bei den Frauen ist die Tenofovir-Konzentration in der Vagina. Es dauert fast eine Woche, bis diese hoch genug ist damit der Schutz funktioniert. Im Rektum geht das schneller, darum können MSM ein PrEP auch intermittierend, das heisst bei Bedarf anwenden. Mit anderen Worten: Männer können sich gezielt beispielsweise für ein Wochenende mit PrEP schützen, während Frauen PrEP durchgehend einnehmen sollten.
Einbezug der Community
Am DÖAK verweist man immer wieder stolz auf den Einbezug der Community – dafür wurde eigens ein «„Community Board»“ geschaffen. Doch konnte dieses Board nicht allzu viel erreichen. Von seinen Mitgliedern erfahre ich, dass ihr Ersuchen um eine Community Lounge am DÖAK von den Verantwortlichen mehrmals abgelehnt wurde. Darum gab es neben dem offiziellen Restaurant mit seinen Tischen lediglich die Stände ziviler Akteure wie der Deutschen Aids Hilfe oder des SHE-Projektes als Orte der Begegnung für die HIV-Community.
Ausschluss der Community
Im Zentrum des Kongresses präsentierten sich die Pharma-Firmen in einer quadratisch organisierten Ausstellung, deren Stände grosszügig ausgestattet waren, wie das an Aids-Konferenzen üblich ist. Natürlich gab es dort kostenlos Getränke, guten Kaffee und Fingerfood – allerdings war diese Ausstellung nicht für alle zugänglich! Nur medizinische Fachpersonen sollten zu diesen Ständen Zugang haben – sichtbar umgesetzt wurde dies durch ein grosses A auf deren Konferenzbadge. Patientinnen und Patienten wurde der Zugang verwehrt, weil gemäss dt. Heilmittelgesetz direkte Werbung durch Pharma-Firmen verboten sei, wurde uns mantra-artig immer wieder vorgebetet. Freiwillige kontrollierten den Zugang und liessen nur Personen mit einem A in die Ausstellung hinein. Dieses klare und aus Sicht der Community auch beabsichtigte Ausgrenzung löste zahlreiche Proteste aus. Als sich herausstellte, dass auch Angestellte der Aids Hilfen oder anderer Community-Organisationen ein A auf ihrem Badge vorfanden, war der Unmut der Aktivistinnen nicht mehr zu stoppen. Niemand verstand, nach welchen Kriterien genau der Zutritt zur Ausstellung gewährt bzw. verweigert wurde. Es fühlte sich einfach nicht richtig an, dass Ärztinnen und Professoren sich kostenlos in der Ausstellung verpflegen durften, während Community-Leute für jegliche Konsumation inkl. Wasser im Restaurant bezahlten.
Die Kongressverantwortlichen stellten sich den wütenden Fragen der Community im Rahmen der Community Session am Nachmittag des ersten Konferenztages. Deren Titel war ironischerweise „GIPA-Session“; GIPA steht für Greater Involvement of People Living with Aids bzw.also für mehr Einbezug von Menschen mit HIV. Genau diese Menschen formulierten nun ihren Schmerz und ihre Wut darüber, aus dem zentralen Hauptteil des Kongresses ausgeschlossen zu werden. Ein Altaktivist erinnerte daran, dass sich dieses Problem an jedem DÖAK erneut wiederhole und stellte eine einfache Lösung dafür vor: „Während Werbung als ‚push‘ bezeichnet wird – man bekommt sie, ohne sie zu wollen – gilt sich aktiv Informationen beschaffen als ‚pull‘ und wird nicht mehr als Werbung gewertet.“ Ein Ausweg aus dem Dilemma wäre, Aktivistinnen, die sich für Informationen in der Ausstellung interessierten, eine entsprechende Erklärung unterzeichnen zu lassen. Leider ging keiner der Verantwortlichen auf diesen Vorschlag ein.
Romy Mathys / Juli 2019