Nature  

Kouyos RD et al, “ Tracing HIV-1 strains that imprint broadly neutralizing antibody responses.”,
Nature, EPub Sep 10 2018
 

Nur wenige Menschen, die mit HIV-1 infiziert sind, entwickeln sogenannte breit neutralisierende Antikörper (bnAbs), die auf bestimmte Virusstrukturen (Antigene) zielen und somit verschiedene Virusvarianten neutralisieren können. Die Faktoren, welche bestimmen, ob jemand bnAbs entwickelt, sind nicht völlig klar; insbesondere ist der Beitrag der Virusmerkmale unbekannt. Die Identifizierung der Virusmerkmale für eine weitgehend neutralisierende Immunantwort wäre für die Impfstoffentwicklung sehr hilfreich. Die Autoren untersuchten in der vorliegenden Studie die Antikörperreaktionen in einer großen Kohorte von potentiellen HIV-1-Übertragungspaaren innerhalb der Schweizer HIV-Kohorten Studie und fanden heraus, dass der HIV-1-Stamm, mit dem jemand infiziert ist, einen Teil der Breite und Stärke der Antikörperantwort ausmacht.

Die Autoren stellten die Hypothese auf, dass, wenn virale Faktoren die Qualität der Antikörperreaktion bestimmen, Personen mit nahe verwandten Virusstämmen ähnliche Neutralisierungsreaktionen aufzeigen würden. Um diese Hypothese zu testen, identifizierten sie 303 Übertragungspaare basierend auf der genetischen Ähnlichkeit ihrer HIV-Stämme. Sie testeten dann bei diesen Personen die Fähigkeit der Antikörperreaktion, 14 verschiedene Virusstämme zu neutralisieren und 13 Antigene zu binden. Die Autoren nannten dies den „Antikörper-Fingerabdruck“ des infizierenden Virus.

In der Tat hatten potentielle Übertragungspaare einen ähnlicheren Antikörper-Fingerabdruck als Paare, die nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wurden. Genauer ausgedrückt, bestimmt das infizierende Virus 13,2% des Neutralisierungsfingerabdrucks. Dies bestätigt, dass das infizierende Virus die Neutralisationsstärke der Antikörperantwort prägen kann. Auch unter Berücksichtigung von Faktoren, von denen bekannt ist, dass sie die bnAb-Entwicklung beeinflussen, wie Infektionsdauer und HIV-1-Subtyp, blieb die Korrelation zwischen infizierendem Virus und dem Neutralisierungsfingerabdruck in einem ähnlichen Bereich bestehen.

Obwohl dieser Zusammenhang zwischen Virusgenetik und Neutralisierung statistisch hoch signifikant war, war die Stärke dieses Effekts eher bescheiden, ähnlich der Effektgrösse der Virusgenetik auf den Verlust der T-Helferzellen bei einer unbehandelten HIV-Infektion. Bemerkenswerterweise fanden die Autoren in ihrer Studie ein Übertragungspaar, bei welchem beide eine ausgesprochen breite neutralisierende Antikörperantwort entwickelt hatten («elite neutralisers») mit einem praktisch identischen Muster: dieses Paar konnte weitgehend alle 42 getesteten HIV-1 Stämme neutralisieren. Dieser Fall zeigt, dass es gewisse HIV-1 Hüllproteine gibt, die fähig sind, in verschiedenen Menschen bnAbs hervorzurufen. Das ist genau das, was eine Impfung können sollte. Für die Entwicklung einer Impfung gegen HIV wird nun das Virushüllprotein dieser «elite-neutralisers» von den Forschern genauer untersucht.

Zusammenfassend zeigt die Studie, dass Unterschiede in der HIV-1 Virusgenetik die Entwicklung von Antikörperantworten beeinflussen und dass einige Virusstämme eine stark neutralisierende Immunantwort über Individuen hinweg hervorrufen können. Obwohl eine solche starke bnAb-Prägung wahrscheinlich selten ist, sind die viralen Stämme und Antigene, die diesem Effekt zugrunde liegen, Hauptkandidaten für die Impfstoffentwicklung.