CROI 2024: Prävention

Nachfolgend einige wichtige Erkenntnisse aus der Präventionsforschung.

Erfolgreiche PrEP in Australien

Australien hat bei der Einführung der Prä-Expositionsprophylaxe PrEP Pionierarbeit geleistet – seit 2018 ist die Intervention gratis verfügbar. Auch heuer zeigten australische Forscher interessante Erkenntnisse rund um die PrEP.

Menschen bei denen eine Hepatitis-C-Behandlung erforderlich war und die es mit der PrEP-Adhärenz nicht so genau nahmen, waren besonders gefährdet, sich innerhalb weniger Jahre nach ihrer ersten PrEP-Verschreibung mit HIV zu infizieren. Eigentlich ist das eine Binsenwahrheit – die PrEP funktioniert nur, wenn man sie denn auch schluckt. Trotzdem sind die von Nicholas Medland präsentierten Daten wichtig, denn sie zeigen uns, bei welchen Leuten wir besonders aufpassen müssen. Die Gruppe um Medland verglich

Menschen, bei denen eine PrEP besonders angezeigt war. Die einen waren PrEP-Nutzer, welche die PrEP weiterhin einnehmen, den anderen wurde sie zwar verschrieben, aber diese Leute haben bloss ein Rezept abgeholt und liessen sich kein weiteres ausstellen.

Unter allen Personen, die eine PrEP erhielten, gab es 207 neue HIV-Infektionen. Fast ein Drittel der Infektionen betraf Personen, welche die PrEP nur einmal erhielten, während die Gruppe mit geringer Adhärenz über die Hälfte der Neuinfektionen ausmachte. Die Gruppe mit hoher Adhärenz verzeichnete bloss 15% der Neuinfektionen. Die meisten Leute, welche die PrEP nur einmal bezogen, nahmen sie in der Regel mehr als ein Jahr nicht ein, bevor ihnen eine ART verschrieben werden musste. Ganz besonders hoch waren die Neuinfektionen bei denjenigen, welche eine Hepatitis-C-Behandlung erhalten hatten. Nicholas Medland führt dies auf sexuelles Risikoverhalten zurück.

Die Daten sind eine gute Nachricht für PrEP-Programme. Sie zeigen klar den Nutzen einer fortgesetzten PrEP. Wir müssen aber bestimmte Gruppen von Menschen ganz besonders beachten. Zu ihnen gehören jüngere Menschen sowie Personen, welche eine PrEP einmal beziehen und sich dann still verabschieden, und insbesondere Personen, die eine Hepatitis-C-Therapie hinter sich haben. Diese drei Gruppen haben ein viel höheres Risiko, sich mit HIV zu infizieren, und sie brauchen deshalb eine PrEP erst recht[1].

Gespritzte PrEP mit Langzeitwirkung – es dauert ewig

Die gespritzte PrEP wäre besonders wichtig für Frauen, bei denen die PrEP in Pillenform bekanntlich nur schlecht wirkt. Es dauert nämlich eine gute Woche, bis eine schützende Wirkung beim vaginalen Geschlechtsverkehr aufgebaut ist.

Rupa Patel vom US-amerikanischen Center for Disease Control CDC fragte sich, weshalb die Einführung des langwirksamen Cabotegravir (CAB-LA) für die injizierbare PrEP so schleppend verläuft[2]. Das gilt in Ländern mit niedrigem Einkommen, wo die Programme gerade erst anlaufen, aber auch in den USA, wo eine Vielzahl von Kosten- und bürokratischen Problemen noch immer dazu führt, dass nur wenige Personen Zugang haben.

Da ist einmal die weltweite Einführung von CAB-LA in Ländern mit niedrigem Einkommen. Die Pilotprojekte für CAB-LA sind gerade angelaufen. Der weltweite Zugang wird wohl erst dann richtig in Schwung kommen, wenn die drei Generikahersteller Aurobindo, Cipla und Viatris die Präqualifikation durch die Weltgesundheitsorganisation abgeschlossen haben. Die zuständigen nationalen Regulierungsbehörden und ViiV brauchen dieses für die Zulassung von Generika. Dies wird nicht vor 2027 der Fall sein.

Bevor generische Versionen eines Arzneimittels vermarktet werden können, müssen die Hersteller ein Verfahren durchlaufen, in dem sie nachweisen, dass sie technisch in der Lage sind, das Arzneimittel nach denselben oder gleichwertigen Standards wie das patentierte Original herzustellen. Anschliessend müssen sie ein Dossier zur Genehmigung durch die nationalen Zulassungsbehörden und die Weltgesundheitsorganisation einreichen. Aus diesem Grund wird das generische CAB-LA kaum vor 2027 verfügbar sein.

Patel forderte, dass das gesamte System für Medikamente wie CAB-LA, welche in einkommensschwachen Gebieten besonders wichtig sind, geändert werden müsse. Die Rahmenbedingungen für einen Generikamarkt sollten gleichzeitig mit dem Prozess der Lizenzvergabe entwickelt werden.

Aber auch in den USA macht CAB-LA bloss etwa 1,4 % der PrEP Verschreibungen aus. Das grösste Problem sind die Kosten. Die Kliniken mit grösseren Programmen haben an den Zulassungsstudien teilgenommen. Da war das Medikament kostenlos. Um die weitere Versorgung sicherzustellen, mussten die Kliniken auf „Kauf und Abrechnung“ umstellen – sie bezahlen die Medikamente im Voraus und erhalten das Geld erst zurück, wenn die Versicherer der Nutzer es erstatten. Einige Kliniken für sexuelle Gesundheit sind aufgrund von Verzögerungen bei der medizinischen Abrechnung mit mehr als 300‘000 Dollar verschuldet. Sie können sich deshalb eine Ausweitung der Programme gar nicht leisten.

Das zweite Problem ist vor allem ein bürokratisches. Die meisten amerikanischen Versicherer verlangen den Nachweis, dass die Nutzer bei der oralen PrEP versagt haben. Zudem müssen bei jeder Verschreibung einer Injektion die Versicherungsanforderungen neu geprüft werden – man kann nicht einfach eine Wiederholung beantragen. Sehr oft verweigern die Versicherungen die Zahlung auch komplett. Hinzukommt, dass 20% der Klienten nicht innerhalb des 7-Tage Fensters für die folgende Injektion in die Klinik kommt. Sie müssen in der Folge als neue Nutzer nochmals gestartet werden. Viele Patienten empfinden die komplizierten Prozeduren als stigmatisierend – im Vergleich mit der einfachen oralen PrEP-Abgabe kann man das wohl behaupten.

Es wird auch in Europa nicht einfach werden mit der gespritzten Langzeit-PrEP. Damit kommt auch die Erkenntnis, dass wir die Vaginalringe mit Dapivirine für den Einsatz in westlichen Ländern schlicht verpennt haben. Diese sind nämlich für arme Länder im Süden reserviert.

Ein weiterer Beitrag zur doxyPEP folgt in der nächsten Ausgabe.

David Haerry / Mai 2024

[1] https://www.croiconference.org/abstract/hiv-incidence-in-users-of-hiv-preexposure-prophylaxis-in-australia-a-whole-of-population-analysis/

[2] https://www.croiconference.org/abstract/why-is-cabotegravir-rollout-so-slow/

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