In welchen Abständen soll bei Patienten aus Ländern mit einem hohen Einkommen die unter einer wirksamen antiretroviralen Therapie stehen die HIV-Viruslast und die CD4-Zellzahl gemessen werden, um das Auftreten von Tod und AIDS-definierenden Erkrankungen reduzieren zu können?
Journal of Acquired Immune Deficiency Syndromes

In der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie (SHCS) messen wir bei Patienten, welche unter einer wirksamen antiretroviralen Therapie (ART) stehen und bei denen die HIV-Viruslast unter der ART unterdrückt ist alle 3 Monate die HIV-Viruslast und die CD4-Zellzahl.

Caniglia und Kollegen haben in der vorliegenden Arbeit untersucht, welchen Einfluss eine Ausdehnung der Messungen auf 6- oder 9-12 monatliche Abstände bei Patienten aus Ländern mit hohem Einkommen auf die Wahrscheinlichkeit zu sterben oder an einer AIDS-definierenden Erkrankung zu erkranken hat.

Im Vergleich zu der 3-monatlichen Messung der HIV-Viruslast und der CD4-Zellzahl war bei Patienten mit einem verlängerten Messintervall alle 6 oder alle 9-12 Monate das Risiko zu sterben oder an einer AIDS-definierenden Erkrankung zu erkranken nicht erhöht. Allerdings zeigte sich, dass bei Patienten bei denen die HIV-Viruslast oder CD4-Zellzahl nur alle 9-12 Monate gemessen wurde ein virologisches Versagen (Viruslast >50 Kopien/ml Blut) signifikant häufiger auftrat. Bei einem 6 monatlichen Messintervall bestand kein erhöhtes Risiko eines virologischen Versagens.

Zusammenfassend fanden sich in dieser Studie keine Anhaltspunkte, dass bei Patienten unter ART mit einer unterdrückten Viruslast eine Ausdehnung der Messintervalle der HIV-Viruslast von 3 auf alle 6 oder 9-12 Monate die Sterblichkeit oder die Wahrscheinlichkeit für eine AIDS-definierende Erkrankung erhöht.


Kommentar Dr. Dominique Braun und Dr. Huldrych Günthard

Die Autoren der Studie ziehen den Schluss, dass bei Patienten unter einer wirksamen ART eine Ausdehnung der Messintervalle der CD4-Zellzahl und der HIV-Viruslast von 3 auf 6 oder 9-12 Monate keinen Einfluss auf die Sterblichkeit oder das Auftreten von AIDS-definierenden Erkrankungen hat. Es ist aus unserer Sicht jedoch wichtig zu realisieren, dass bei dem 9-12 monatlichen Messintervall ein virologisches Versagen signifikant häufiger aufgetreten ist.

Aus diesem Grund empfehlen wir mit Nachdruck, in der SHCS die HIV-Viruslast weiterhin alle 3 Monate zu messen oder die Messung höchstens auf 6 monatliche Intervalle auszudehnen.


Kommentar Positivrat

Ältere Patienten haben sich mit den regelmässigen Kontrollvisiten alle drei Monate, inklusive Bestimmen der Laborwerte arrangiert. Aus jahrelanger Erfahrung liess sich ableiten, dass eine erfolgreiche Langzeitüberwachung möglicherweise mit weniger häufigen Kontrollen möglich ist. Diese Publikation bestätigt die Vermutung, zeigt aber auch die Grenzen.

Es ist erfreulich, dass die Therapien mittlerweile so stabil und verträglich sind, dass weniger häufig überwacht werden muss. Aus Patientenperspektive möchten wir aber betonen, dass am Anfang einer Therapie – die ersten zwei Jahre sowie nach Therapieumstellungen – am 3-Monatsintervall festgehalten werden sollte. Patienten die sich psychisch nicht so fit fühlen, mit Depressionen kämpfen, unerwartete Nebenwirkungen feststellen, während einer Schwangerschaft oder sonstigen Erkrankung sollte man sich auf jeden Fall häufiger oder sofort in der behandelnden Klinik melden. Die Therapietreue (Adhärenz) ist auf Dauer eine grosse Herausforderung für alle Patienten. Die regelmässige Konsultation spielt hier eine wichtige Rolle. Siehe dazu auch den nächsten Artikel (Glass et al.)

David Haerry / November 2016