AIDS 2024 in München: «We are not alone»
An der internationalen Aids-Konferenz Ende Juli 2024 versammelten sich in München Tausende von Teilnehmenden aus der ganzen Welt. Man konnte nicht nur Neustes aus der Forschung und Prävention erfahren, es war auch eine einmalige Gelegenheit, Menschen aus der ganzen Welt zu treffen, sich auszutauschen und kreative Ideen zu entwickeln.
München, Welt Aidskonferenz 2024, eine unübersichtliche Menge an Vorträgen, Podiumsdiskussionen, Diskussionsrunden, Workshops und das Global Village mit seinen Veranstaltungen stehen auf dem Programm.
Die Aussicht, in München auf Aktivist:innen und andere Betroffene zu treffen, beflügelt mich schon die Wochen davor. Was mir in der Welt von HIV fehlt, ist eine positive Message. Also kreiere ich sie: «You’re not alone» schreibe ich mit schönen Lettern in eine Sprechblase und mache ein Schild daraus. Meine Idee: In München Betroffene aus der ganzen Welt mit der Sprechblase zu fotografieren und so eine neue Message in die Welt zu setzen.
Bild: ZVG
Die positive Botschaft als Gamechanger
Ein weiterer, schon existierender Slogan inspiriert mich: «U = U» – «Undetectable = Untransmittable» («Nicht nachweisbar = nicht übertragbar»). Seit einem Jahr lebe ich mit HIV. Wem ich es auch erzähle, kaum jemand weiss, dass ich, die täglich mein Medikament nehme, das Virus nicht weitergeben kann. U=U ist für uns Betroffene nicht nur eine wichtige Botschaft, es ist ein Gamechanger. Er nimmt unserer Diagnose ihre Gefährlichkeit, nimmt uns die Angst, jemanden anzustecken, nimmt das tonnenschwere Stigma von unseren Schultern. Oder es würde es zumindest.
Ich kreiere ein «U= U»-Logo und lasse Kleber, Stofftaschen und Shirts drucken. Alles schön farbig: pink, orange, coral, blau. Die Botschaft soll etwas sein, was ins Auge sticht und schön aussieht.
Grassroot-Kampagnen gegen die doppelte Epidemie
An der Konferenz verteile ich die Kleber, lege sie überall auf, auch am Stand der «U=U-University» des NGOs Prevention Access Campaign aus den USA. «Ja klar, du kannst sie hier auflegen, cool», sagt Randy, der Mann, mit dem violetten Shirt, der am Stand steht. Wir kommen schnell ins Gespräch. «Ich bin aus der Schweiz, ich lebe seit einem Jahr mit HIV. Die Kleber habe ich selbst gemacht, denn ich musste einfach etwas tun.» Randy erzählt mir, dass auch er aktiv ist auf Social Media mit «theaccidentalhivactivist».
HIV wird hier plötzlich nicht nur Schicksal, mit dem wir kämpfen müssen, sondern etwas Wichtiges im Leben, das uns verbindet. Unglaubliches passiert: Mit wem ich auch immer rede, ich oute mich innert Kürze, anders als zu Hause, wo es nur wenige Menschen wissen. Die Aids-Konferenz ist ein Safe Space mit Tausenden von Menschen.
Erst jetzt in München wird mir bewusst, dass der Slogan«U=U» von einem Betroffenen selbst ins Leben gerufen wurde, vom Amerikaner Bruce Richman, der mit der Kampagne 2016 das NGO Prevention Access Campaign gründete. Weil er etwas tun musste: Die Welt leidet nämlich unter einer doppelten Epidemie: HIV und HIV-Stigmatisierung.
«You are not alone» – we are Community
Mit dem Schild «You’re not alone» ausgerüstet, bin ich zudem mit dem Filmemacher Janos Tedeschi unterwegs, um mit Betroffenen aus der ganzen Welt ins Gespräch zu kommen und sie damit zu fotografieren. Wir fotografieren nicht nur. Bald reden wir mit wildfremden Menschen über persönlichste Dinge, über Gefühle der Scham, über die Geheimnistuerei, unsere Ängste, die ganze Wolke der Selbstvorwürfe und das Stigma, die nur wir selbst durchbrechen können.
HIV braucht ein Gesicht
Ich bin begeistert, wie viele positive Vibes zu spüren sind, wie sehr das Gefühl einer weltweit verbundenen Community entsteht. Mehr und mehr bin ich überzeugt, dass wir Betroffenen mit Offenheit gegen das Stigma ankämpfen können und müssen. HIV braucht ein neues Gesicht. HIV braucht überhaupt ein Gesicht. Denn HIV ist leider in den Köpfen von vielen nach wie vor mit dem Aids-Schrecken der 80er und 90er-Jahre verbunden. HIV braucht ein neues Gesicht, das zeigt, was HIV heute wirklich bedeutet. Und damit einen wichtigen Beitrag in der Prävention leistet.
Weltweiter Power mit «U= U»
Was mit Bruce Richman vor acht Jahren in den USA begonnen hat, ist mittlerweile zu einer weltweiten Bewegung angewachsen: Über tausend Organisationen in 105 Ländern haben die «U=U»-Kampagne übernommen.
Bild: ZVG
Seine Mission: HIV und HIV-Stigmatisierung zu beenden; seine Vision: U=U soll zum Allgemeinwissen werden, alle Menschen mit HIV sollen Zugang zu Pflege und Behandlung haben.
In Vorträgen und Diskussionsrunden an der Aidskonferenz in München erzählen Bruce und seine Mitstreiterinnen, wie wirkungsvoll die U=U-Kampagne ist. Sie hilft, Menschen dazu zu ermutigen, sich testen und therapieren zu lassen und die Medikamente regelmässig einzunehmen.
Bild: ZVG
Die Aktivistin Mandisa Dukashe aus Südafrika macht deutlich, wie sehr in U=U die Umkehrung des Gedankens steckt, dass HIV-positive Menschen gefährlich seien. «We respect, we protect», sagt sie. Wir nehmen die Medikamente, tragen Verantwortung und schützen andere Menschen.
Es ist nicht einfach, offen zu seiner Diagnose zu stehen. Ich bin noch auf dem Weg dazu. Doch nur so können wir gegen das Selbststigma und das Stigma ankämpfen.
Claudia / September 2024
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