Im Juli 2016 fand die 21. Internationale Aids Konferenz mit ca. 18‘000 Teilnehmenden in Durban, Südafrika statt. Anders als vor 16 Jahren – als ein uneinsichtiger Präsident den Aids-Dissidenten glaubte und die Abgabe der antiretroviralen Therapie (ART) in Südafrikas Spitälern verbot – ist Südafrika heute stolz auf das grösste ART-Programm mit 3,4 Millionen Menschen, die daran teilnehmen.
Wissenschaftlich gab es wenig Aufregendes: Forschende berichten von mikrobiologischen Erkenntnissen, die Strategien zur Heilungs- und Impfforschung erleichtern, jedoch ohne konkrete und für Laien verständliche Resultate. Co-Infektionen mit TB, HCV und HBV sind stark präsent, PrEP ist in aller Munde; ebenso wie die ‚Test and Treat‘ Empfehlung der WHO, womit die Abgabe von ART nicht mehr an bestimmte CD4-Werte gekoppelt ist. Wer HIV-positiv getestet wurde, soll mit ART behandelt werden. Als Erfolg gilt, dass von den geschätzten 37 Mio. Menschen, die weltweit mit HIV leben, bereits 17 Mio. unter Therapie sind. Jedoch bleiben 20 Mio. ohne Zugang und die grosse Frage lautet: Wie soll das finanziert werden, wenn 13 von 14 Geberländern ihre Beiträge für den Globalen Fonds gekürzt haben? Wir hören immer wieder, dass Aids bis 2030 beendet werden soll. Ein Aktivist der Treatment Action Campaign TAC widerspricht dem vehement und fragt wütend, wie alle von „ending Aids“ sprechen können, wenn immer wieder der ARV-Nachschub fehlt und Menschen ihre Therapie unfreiwillig unterbrechen müssen?!
„Es ist an der Zeit, einzugestehen, dass etwas schrecklich falsch läuft“, erklärte Charlize Theron an der Eröffnungszeremonie. Obwohl alle notwendigen Instrumente vorhanden sind, um die weitere Ausbreitung von HIV zu verhindern – Kondome, PrEP, PEP, ART, Kenntnis der Übertragungswege wie man sich schützen kann – infizierten sich trotzdem 2015 weltweit 2.1 Mio. Menschen neu mit HIV. Für Charlize ist klar, warum es nicht gelingt, die Verbreitung von HIV zu stoppen: „Für uns sind bestimmte Leben wertvoller als andere, Männer wertvoller als Frauen, heterosexuelle Liebe ist wertvoller als homosexuelle. Weisse Haut ist wertvoller als dunkle, die Reichen wertvoller als die Armen, und Erwachsene wertvoller als Jugendliche.“ Und sie weist darauf hin, dass HIV von sich aus nicht diskriminiert, keine biologische Präferenzen hat für Körper von Farbigen, Frauen, Schwulen, jungen Mädchen oder von Armen, dass nicht HIV diese Auswahl trifft, sondern wir: „WIR suchen die Verletzlichen, Unterdrückten, und die Ausgebeuteten aus. Wir ignorieren sie, lassen sie leiden und an Aids sterben.“
Charlize Theron bringt auf den Punkt, warum dem so ist, und wer die Möglichkeit hat, dies zu ändern: Sie ruft die nächste Generation, die heutige Jugend auf, Aids zu beenden: „Ihr seid „Gen-end-it“! Und erklärt IT für alle unmissverständlich: „IT ist nicht einfach Aids, IT ist eine Kultur, die Vergewaltigung gutheisst und deren Opfer zu Schweigen und Scham verurteilt, IT ist der Kreislauf von Armut und Gewalt, der Mädchen zwangsverheiratet und sie zwingt, ihre Körper zu verkaufen, um ihre Familien zu versorgen. IT ist der Rassismus, der den Weissen und Mächtigen erlaubt, die Schwarzen und Armen auszubeuten und ihnen auch noch die Schuld zuschiebt an ihrem Leiden. IT ist die Homophobie, die LGBT-Jugend diskriminiert und isoliert und sie von lebenswichtiger Gesundheitsversorgung und Behandlung fernhält.“ Mit diesem Statement fasst Charlize zusammen, was wir nicht nur im Laufe dieser Konferenz – sondern schon über viele Jahre hin – immer wieder hörten: Im südlichen Afrika sind Mädchen zwischen 15 – 24 Jahren die am stärksten von HIV betroffene Gruppe. Omnipräsente Gender Ungleichheiten, Machtdynamiken, Opfer-Status‘ und Armut werden immer wieder aufgezählt als Gründe, warum Frauen keinen gleichberechtigten Zugang zu Rechtssprechung, Ressourcen, Erziehung und letztlich zu HIV-Prävention, Dienstleistungen und Behandlung haben.
Das Thema der Konferenz – Access Equity Rights Now – zielt direkt in ein zentrales Konferenzthema: Kriminalisierung von HIV, Sex Work, Homosexualität und intravenösem Drogengebrauch erschweren die Arbeit mit denjenigen, die am stärksten von HIV betroffen sind, und die zu schwach sind, sich zu wehren. Darum werden sie in zu vielen Ländern Opfer von kontraproduktiven Gesetzen. Justice Edwin Cameron bezeichnet Gesetze, die HIV, Homosexualität, Sexwork und Drogenkonsum kriminalisieren, als „devious and evil“ in seiner Jonathan Mann Lecture. Er würdigt die Aktivistinnen und Aktivisten, indem er sie auf die Bühne ruft: „Lasst uns diese Konferenz den Sexworkern, den Drogenkonsumierenden, den Migranten, den afrikanischen Männern, die Sex mit Männern haben, den Verletzlichen, den Armen und den Kindern widmen!“
Gerne schliesse ich mich Therons Schlussworten an: „ … HIV wird nicht einfach nur durch Sex übertragen, sondern durch Sexismus, Rassismus, Armut und Homophobie. Und wenn wir Aids heilen wollen, dann müssen wir damit in unseren Herzen und Gedanken anfangen.“
Romy Mathys / Juli 2016
Charlize Theron an der Opening Ceremony: https://youtu.be/4sJQ7RfQby0
Justice Edwin Cameron: https://youtu.be/FvQFLAGuU8A
Informationen über die Konferenz: http://www.aids2016.org/